Keinesfalls Liebe (German Edition)
Das kann ich mir gar nicht vorstellen“, ätzte ich.
„Ich würde dich gerne zeichnen, Jo.“
„ Wie bitte?“
Er grinste. „Du hast schon verstanden.“
„Nackt, nehme ich an!“
„Steig ein, oder ich erledige dich hier und jetzt.“
„Du bluffst“, sagte ich und glaubte es auch, bis Grey seine Jacke aufknöpfte … und ich ganz deutlich die Schusswaffe sehen konnte, die an seinem Gürtel befestigt war. Zweifel an der Echtheit kamen mir nicht, und das rettete vielleicht mein Leben. Ein Verbrecher wie Grey läuft nicht mit einer Spielzeugpistole durch die Gegend. Also überwand ich mühevoll meine Panik, zeigte ihm in einem Anflug von Trotz noch kurz den Stinkefinger und stieg ins Auto. Was hätte ich denn machen sollen?
Viel bekam ich von dem Familienanwesen nicht zu sehen; es dämmerte, Grey führte mich zielstrebig eine Marmortreppe hoch und in einen riesigen Saal mit Parkett, den mehrere große Kronleuchter golden erhellten, und meine Sicht verschwamm, weil mir so viel Blut im Kopf fehlte, dass mir schwindelig wurde. Die Panik hatte mich fest im Griff.
An den weißen Wänden lehnten Leinwände und eine Staffelei; außer zwei Hockern gab es sonst nichts in diesem Raum.
Ich leistete keinen Widerstand, als Grey mich auf einen der Hocker drückte, der in der Mitte des Saals stand. Erst als er die Hände von meinen Schultern nahm und mit einem zufriedenen, vorfreudigen Glitzern in den Augen begann, seine Staffelei aufzubauen, konnte ich tief durchatmen und wartete darauf, dass Grey endlich fertig war.
Obwohl mein Herz so schnell schlug, dass ich jede Sekunde dachte, jetzt würde es gleich explodieren und ich vor Panik sterben, schaffte ich es, ruhig zu bleiben. Grey machte keinerlei Skizzen; er benutzte eifrig Farben und musterte mich schnell und aufmerksam, und kam dafür so dicht zu mir heran, dass es mir unangenehm war.
Die Situation wechselte nach schrecklich langen fünf Minuten von unangenehm zu bedrohlich, als er zum ersten Mal eine Anweisung gab: „Zieh bitte dein Oberteil aus.“
„Nein“, krächzte ich. Eigentlich wollte ich ihm eine volle Breitseite Protest entgegen schießen, aber es war schon schwer genug zu atmen .
„Ich sage es einmal freundlich, Jo.“ Grey hob nur flüchtig den warnenden Blick, bevor er wieder sein entstehendes Werk musterte. „Zieh sofort dein Oberteil aus.“
Noch ein Plan, den mein angstgeschwängertes Gehirn entwickelt hatte – nämlich nicht zu flehen – platzte wie ein Luftballon, in den immer weiter Luft geblasen wird, mit dem kleinen Unterschied, dass sich der symbolische Knall in meinem Kopf anhörte wie vielfacher Kanonendonner. In allen Filmen und Büchern, die ich über solche und ähnliche Situationen gesehen und gelesen hatte, flehten die Opfer andauernd, etwas, das ich nie hatte nachvollziehen können. Jetzt konnte ich es. Man kann nichts dagegen machen; die Worte explodieren regelrecht im Mund und schießen heraus als eine kleine Demütigung gegen sich selbst. Obwohl man weiß, dass diese Demütigung nichts bringen, sondern auf ewig etwas sein wird, das man bereut.
„Bitte nicht“, flehte ich tatsächlich. „Ich möchte nicht.“
Grey schnaubte nur. „Du redest, als würde ich wer weiß was von dir verlangen oder dich anfassen wollen. Du bist attraktiv, natürlich, aber ich zeichne dich nicht, um dein Bild über mein Bett zu hängen und vor dem Einschlafen ganz besonders genau zu betrachten. Und jetzt lege endlich deine Kleidung ab oder ich helfe dir dabei, obwohl ich dir versprochen habe, dich nicht zu berühren. Hast du verstanden?“
Mir wären in diesem Moment Hunderte weitere Alternativen und Synonyme für bitte und lass mich gehen eingefallen, aber wenn er herkäme, um mich zu berühren, wäre der letzte Rest Würde in mir auch verschwunden. Lieber tat ich es selbst. Also holte ich tief und zittrig Luft und wollte mir gerade den dünnen Pullover über den Kopf ziehen, als die Flügeltüren aufgingen und Ryan den Saal betrat. Bei unserem Anblick wich ihm die Farbe aus dem Gesicht. Und Grey und mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. Doch ich war so froh, ihn zu sehen, wie damals, als er mich das erste Mal vor seinem Pflegevater gerettet hatte.
„Was wird das hier?“, fragte er Grey aufgebracht. Seine Augen funkelten bedrohlich, und seine Stimme bebte vor Ekel. Er kannte die Antwort.
„Ich male Jo“, erwiderte Grey seelenruhig. Für seinen Sohn hatte er nur einen kurzen Blick übrig, dann machte er weiter.
Ryan schaute mich
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