Keinesfalls Liebe (German Edition)
kribbelte und bebte vor Sehnsucht. Schokolade musste her. Viel Schokolade. Viel Schokolade!
Zum Glück hatten mir Mrs Richards, eine humorvolle, lebenslustige Frau, und ihr Ehemann, ein ebenfalls lustiger Bär mit fröhlich funkelnden Augen und charmanten Lachfältchen, mehr als eine Million Mal versichert, dass ich mich an Essen und Trinken und allem anderen nach Lust und Laune bedienen durfte. Also schnappte ich mir schamlos gleich drei Schokoriegel aus der Küche und schlüpfte dann unter meine Decke und futterte trotzig. In Rekordgeschwindigkeit. Sehr viel besser ging es mir danach allerdings nicht.
Zurück in San Bernardino wurde ich von der Welt überrascht. Ich hatte tatsächlich ein paar ruhige Tage! In der Uni gab ich alles, zuhause faulenzte ich und genoss es, mich nicht mehr so schlecht zu fühlen wie vor dem Besuch bei Seans und Celines Eltern. Das Atmen war mir so schwer gefallen in letzter Zeit, doch jetzt strömte die Luft wieder ungehindert in und aus meinen Lungen.
Das Erste, was mich aus meinem wohligen Alltagsleben riss, war Daniel. Mehrmals klopfte ich an seine Tür. Er öffnete nicht. Immer wieder durchsuchte ich jedes Eckchen der Uni nach ihm, aber ich fand ihn nicht. Ich begann schon, mir wegen seinem Familientreffen und Grey erneute Sorgen zu machen, als ich ihn in der Mensa antraf.
Er sagte nur drei Worte: „Thompson ist tot.“
Ich erfuhr nie Genaueres.
An Weihnachten war es erschreckend ruhig. Ich begegnete Jake nicht mehr, es gab keine Drohungen und selbst bei der größten Silvesterparty der Stadt sichtete ich ihn nicht.
Zwischen Daniel und mir herrschte eine seltsame, irgendwie friedvolle Funkstille. Wir schauten einander bloß an; nur an Silvester forderte er mich zu ein paar Tänzen auf, und dabei berührten wir uns kaum. Am liebsten hätte ich ihn gefragt, ob er sich vorstellen konnte, warum Jake mich auf einmal links liegen ließ, aber er kam mir so innerlich ruhig und zufrieden vor, dass ich es nicht übers Herz brachte, dieses Thema anzusprechen.
Beim Countdown war er nicht bei mir. Als ich in den Chor der Willkommensrufe für das neue Jahr einstimmte, flüsterte ich kaum, und ich hatte die Augen geschlossen und horchte in mich hinein, auf der Suche nach einem intuitiven Hinweis darauf, ob Daniel und ich eine Zukunft hatten. Ich erhielt keine Antwort. Nicht in dieser Nacht.
Obwohl Jake und Grey praktisch vom Erdboden verschluckt waren, wurde ich nicht leichtsinnig. Ich hatte mit einer blitzschnellen Mich-ins-Auto-ziehen-Geschichte gerechnet, doch es kam anders. Natürlich. Denn Grey war weder dumm noch verzweifelt, sondern einfach nur siegessicher.
Auf dem Weg von einem deutschen Studenten, mit dem ich mich getroffen hatte, zurück nach Hause fühlte ich mich sicher. Überall schlenderten junge Leute umher; hier ein Verbrechen zu begehen, war purer Wahnsinn. Grey hatte jedoch seine Pläne, als er seinen Wagen langsam an der Straßenseite entlang gleiten ließ, parkte und schließlich ausstieg. Er war ganz entspannt; er wusste zweifellos, was er konnte.
Grey strahlte keine Bedrohung aus, was mich überraschte. Doch er stand so dicht und direkt vor mir, dass er mit Sicherheit jede einzelne Sommersprosse auf meinen Wangen sehen konnte – trotz seiner Krankheit und seinen schlechten Augen.
„Hallo Jo“, sagte er in einem Tonfall, in dem man mit guten Bekannten spricht.
„Was willst du?“, fragte ich und fühlte Atemlosigkeit in mir aufkommen. Es war mir sogar zu blöd, ihn höflich anzusprechen.
„Ich will dich nicht umbringen, falls es das ist, was du denkst.“
Grey wies auf seinen silbernen Mercedes. „Wehtun werde ich dir auch nicht. Vorausgesetzt, du tust, was ich sage. Und ich sage: Steig ein.“
Darüber musste ich gar nicht erst nachdenken. „Das kannst du so was von vergessen!“, sagte ich bissig.
Er wirkte überrascht und so ruhig, dass mir davon übel wurde.
„Nein, das denke ich nicht, Jo. Ich habe schlechte Augen, aber ein äußerst gutes Gedächtnis, ich werde es garantiert nicht vergessen – also steig ein, oder ich werde wütend.“
Kopfschüttelnd machte ich ein paar Schritte von ihm weg.
„Nein!“, beharrte ich, doch selbst ich hörte, wie meine Stimme vor Angst zitterte.
„Wegrennen bringt nichts“, warnte er. „Ich fang dich wieder ein und dann – nein, das willst du nicht wissen. Ich lasse dich wieder zurück zu deinen Freunden, das verspreche ich dir. Ich will dir nur etwas zeigen. Und etwas mit dir machen.“
„Oh, was wohl?
Weitere Kostenlose Bücher