Keinesfalls Liebe (German Edition)
mit fest zusammen gepressten Lippen an. „Willst du das, Jo?“
Ich schüttelte heftig den Kopf. „Nein!“
„Jo, zieh dich aus, ja?“, fragte Grey. Seine Stimme klang tödlich ruhig.
Ob ich jemals rausfinden würde, wie um alles in der Welt dieser Kerl tickte?
„Du widerliches Arschloch!“, brüllte Ryan und lief mit geballten Fäusten auf ihn zu.
„Du tust so, als würde ich ihn vergewaltigen“, spottete Grey.
„Jo, geh sofort nach Hause“, zischte Ryan und packte seinen Vater am Kragen.
Ich ließ mich erleichtert von dem Hocker gleiten – aber eine Frage brannte mir noch in der Seele.
Ryan holte mit der Faust aus; Grey schaute ihm entspannt in die Augen, den rot getränkten Pinsel noch in der Hand.
„Warte!“, rief ich und rannte zu Ryan, um ihn am erhobenen Arm zu packen.
Er schien nicht überrascht. Vermutlich spürte er, dass wir dieselbe Antwort wollten. Er entzog mir seinen Arm, ließ ihn sinken und starrte Grey an, dem keinerlei Erleichterung anzusehen war. Es war eher … Wehmut.
„Warum Jo?“, fragte Ryan leise.
„Ja, warum ich?“, fiel ich flüsternd mit ein.
Tränen schossen in Greys Augen, so plötzlich, dass er sie sehr, sehr lange unterdrückt haben musste. Er schmiss den Pinsel auf den Boden – Farbspritzer flogen umher –, presste sich eine Hand auf den Mund und ging ein paar Schritte von uns weg, langsam, zitternd.
„Weil dich etwas mit Paul verbindet, Jo“, sagte er schließlich heiser.
Ich versuchte meine Stimme zu kontrollieren, aber als ich sprach, zitterte sie trotzdem. „Meinst du … w-wegen Carlos?“
Ryan schnaubte, als ich diesen Namen sagte.
„Carlos?“ Das riss Grey aus seiner Trance. Er drehte sich um und schaute mich verwundert an. „Ach was, nein, nein.“ Sein Blick driftete wieder ab, in Richtung Vergangenheit.
„Komm zum Punkt“, knurrte Ryan.
Meine Ungeduld vermischte sich mit seiner und machte uns noch angespannter.
Grey holte einmal zittrig Luft. Dann sagte er leise: „Ich weiß es seit einiger Zeit. Ryan und Paul sind deine verlorenen Halbbrüder, Jo. Und Ryan, in Deutschland hast du einen Bruder namens Noah. Dort ist auch deine Mutter. Jo, deine leibliche Mutter müsste irgendwo in Deutschland sein. Aber euer gemeinsamer Vater, der ist verschollen.“ Grey hob das Kinn. „Ich bin jetzt euer gemeinsamer Vater. Das ist der Grund, warum ich dich bei mir haben will, Jo. Du hast das Blut meiner Söhne in dir. Also bist du mein Sohn. Und ich liebe jeden einzelnen meiner Söhne. Jake wird dir nichts antun, weil ich es ihm sofort verboten habe, als ich erfuhr, wer du bist. Ich will nicht, dass du stirbst.“
Ryan und ich erstarrten gleichzeitig – wenn das überhaupt noch möglich war; ich war bis auf die Knochen angespannt. Ich war einfach schockiert; mehr als dieses Gefühl gab es in mir nicht.
„Jo, geh nach Hause“, sagte Ryan heiser, ohne den Blick von seinem Pflegevater zu lösen. „Er darf nicht auch noch dich haben. Geh, Jo. Und halt dich von hier fern.“
Ich starrte sein Gesicht an, und als ich es so genau musterte, sah ich mich sogar darin – obwohl meine leibliche Mutter meinen Körper eindeutig mehr geprägt hatte als mein Vater. Unser gemeinsamer Vater. Aber die Augen – ja, die Augen. Wie hatte ich es all die Monate nicht sehen können? Noah, Ryan, Paul und ich, wir teilten die Augen unseres Vaters. Blasses Blau, fünfmal, in unserem Vater und in seinen vier Söhnen.
„Okay“, flüsterte ich schließlich und schlüpfte in meinen Mantel. Ich gab mir einen Ruck und warf mich Ryan in die Arme, weil mich das irrsinnige Gefühl, meinen Bruder endlich zu kennen, einfach überwältigte. Er rührte sich nicht, aber ich spürte seine Sehnsucht, mich auch zu umarmen.
Ich löste mich von ihm, flitzte die Treppen hinunter und aus dem Haus und knallte die Tür hinter mir zu.
Ein gebrochener Mann
Zuhause erzählte ich erst Sean und Celine die ganze Geschichte; sie hatten schon besorgt auf mich gewartet. Sie waren genauso überrascht wie ich von der plötzlichen Wendung in meinem Leben. Und ich rief endlich mal wieder Noah an. Zuerst entschuldigte ich mich dafür, dass ich mich so lange nicht gemeldet hatte, und erzählte ihm von Anfang bis Ende die ganze Geschichte, dass jetzt alles gut war und er sich keine Sorgen machen musste.
„Ich würde so gern kommen“, sagte er leidenschaftlich, mit seiner quirligen Art, die typisch für ihn war. „Aber ich hatte einen Autounfall. Mir ist nichts passiert, mein Auto hat’s
Weitere Kostenlose Bücher