Keinmaerchen
den Raum erkunden”, sagte Conchúbar. Sie mussten auf die andere Seite der Spule. Weg vom Schattenmann. So weit weg wie möglich. Ob er das Böse war, das sie spürten? Conchúbar konzentrierte sich, aber er konnte das Böse nicht orten, es war überall und nirgends.
But I'm a creep
I'm a weirdo
What the hell am I doin' here?
I don't belong here
I don't belong here
(Radiohead: Creep)
Erin
Die Schatten sind nicht mehr so dicht. Es sieht aus, als hätten sie an Masse verloren. Fast wie ganz normale Schatten. Aber das sind sie nicht.
Als ich noch klein war, dachte ich, in den Schatten wohnt jemand. Der Schattenmann. Nachts, wenn alles ruhig war, wenn sie aufgehört hatten zu streiten, dann setzte er sich auf meine Brust. Sein Gewicht drückte meinen Atem aus den Lungen. Seine Hände waren groß wie Pizzateller und sein Gesicht unter einer großen Kapuze verborgen.
Aber ich habe ihn vertrieben.
Du hast ihn umgebracht.
War das nicht lustig? Ein Spaß! Und was für einer!
Aber er war doch gar nicht wirklich.
Glaubst du das?
Ich weiß es. Ich weiß es, weil die Schatten wie ein Tunnel sind, der nach drüben führt. Auf die andere Seite. Niemand wohnt in diesem Tunnel.
Bis auf den Schattenmann - Möchtest du Zuckerwatte?
Warum bist du überhaupt wieder da? Nach so langer Zeit.
Zeit. Du sagst es. Es war einfach an der Zeit zurückzukehren.
Er säubert sich die Fingernägel mit dem Klappmesser. Es ist ein neues. Auf der Klinge tanzen Lichtreflexe. Das ist ein Butterfly, sagt er.
Ich weiß. Was willst du hier?
Er schlägt einen Purzelbaum auf meinem Bett und lacht. Dieses gruselige Lachen. Seine Perücke verrutscht dabei und er richtet sie, bevor er aufsteht und in meinen Schulsachen herumkramt. Er trägt die karierte Latzhose und die viel zu großen Schuhe. Genau wie früher. Auf dem glänzenden Leder sieht man matte Flecken. Ich muss an den Schattenmann denken. Und an das Messer. Mein Kopf tut weh. Irgendwer zersägt meine Schädeldecke von innen.
Was für eine Frage, sagt er. Ich will Spaß, sagt er und zerbricht einen meiner Bleistifte. Ich bin ein Clown, was sollte ich sonst wollen?
Ich dachte, du wolltest mit dem Zirkus ziehen und nie mehr - ich muss schlucken. Nie mehr zurückkommen, wollte ich sagen, aber dann würde er böse werden.
Er springt aufs Bett und drückt seine Wange an meine. Sie haben über mich gelacht, flüstert er. Verstehst du? Sie haben nicht über meine Späße gelacht, sondern über mich. Er springt vom Bett und macht einen Handstand, das Messer zwischen die Zähne geklemmt. Er läuft ein paar Schritte auf den Händen. Sie haben über mich gelacht, nuschelt er. Da musste ich sie - Er springt auf die Füße und nimmt das Messer aus dem Mund. An seiner Lippe hängt ein Speichelfaden, der sich langsam abseilt.
Ich bin Bozo, sagt er. Bozo, der Clown. Bozo, der Spaßmacher. Er legt die Hand an sein Ohr und lauscht. Dann die andere an das andere Ohr. Dabei verlagert er das Gewicht von einem Bein auf das andere. Er sieht aus wie ein Stehaufmännchen, das langsam auspendelt.
Es ist so still, sagt er und dreht sich im Kreis, dass seine roten Haare nur so fliegen. Ich mag es nicht, wenn es so still ist. Lass uns tanzen! Er zerrt an meinen Armen. Komm schon, los, tanz mit Bozo!
Ich will nicht. Warum ist er zurückgekommen? Nach so langer Zeit? Er hat den Schattenmann verjagt. Er hat sein Messer in sein dunkles, konturloses Gesicht gestoßen und dabei hat er gelacht. Der Schattenmann hat geblutet. Erst dachte ich, es wären Tränen, die aus der Kapuze tropften. Sie fielen auf Bozos Schuhe und trockneten dort zu matten, dunklen Flecken.
Was machen wir jetzt?, fragt er. Gehen wir raus?
Ich will schlafen. Nur schlafen, sonst nichts. Ich will nicht im Gestern sein und ich will nicht die Blutflecken auf seinen Schuhen sehen.
Du bist so langweilig wie eh und je, sagt er. Es war wirklich höchste Eisenbahn, dass ich zurückgekommen bin. Er rudert mit den Armen, läuft kreuz und quer durchs Zimmer und macht Schschschschsch.
Der Fünfuhrfünfzehnzug. Ich habe es schon einmal geschafft, ich kann es wieder schaffen. Ich kann mit dem Zug auf die andere Seite fahren. Aber Bozo macht mir Kopfschmerzen. Das grellrote Lachen macht mir Angst. Das Messer in seiner Hand erinnert mich - Ich will nicht! Verdammt, ich will nicht!
Blödmann, sagt er und schubst mich. Er drückt seinen Finger zwischen meine Rippen. Dummkopf, Idiot, Esel. Iaaaahhh.
Ich will raus hier, aber er stößt mich aufs Bett
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