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Keinmaerchen

Keinmaerchen

Titel: Keinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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    Hudler, Sudler, Trottel, Zottel. Lässt du dich immer noch herumschubsen, Hanswurst? Affe, Laffe, Einfaltspinsel!
    Ich presse die Finger um mein Messer. Der Griff ist schon ganz schweißig und heiß.
    Wehr dich, Quatschkopf, Matschkopf. Wieder sein Finger zwischen meinen Rippen.
    Ich will nicht, will nicht, will nicht. Ich zerre die Decke über meinen Kopf. Wenn ich die Augen fest schließe, wird er weggehen. Weg. Weit weg. Ich stecke die Finger in meine Ohren. Ich will sein Lachen nicht hören.
    Er lässt von mir ab und steht auf. Ich spüre ihn durchs Zimmer gehen. Du bist so langweilig wie eine graue Tapete. Dann kichert er. Vielleicht sollte ich die Kleine besuchen. Die war immer lustig. Und nicht so ein Affenkopf wie du.
    Nein! Ich strample mich frei und will ihn am Ärmel festhalten, aber er hüpft zur Seite. Mein Kopf platzt bald. Mein Gehirn ist schon ganz porös. Ich weiß nicht mal, welche Kleine er meint, aber ich will nicht, dass er zu ihr geht.
    Du erinnerst dich nicht?, fragt er, schlägt die Hände vors Gesicht und zieht die Augenbrauen so weit hoch, dass sie fast unter der Perücke verschwinden. Ist das zu glauben, er erinnert sich nicht!
    Dann verschränkt er die Arme hinter dem Rücken und geht langsam auf und ab. Er erinnert sich nicht, murmelt er. Sie war wirklich niedlich, er muss sich doch an ihre Augen erinnern. Welche Farbe hatten sie noch gleich? Er drückt auf seine rote Nase und sie gibt ein Hupen von sich. Genau, blau. Und er muss sich doch an diese Haare erinnern! Wie ein roter Wasserfall. Er drückt auf die Blume in seiner Jackentasche und spritzt mich mit Wasser voll. Mitten ins Gesicht. Oh, ja! Und diese - Er fährt mit den Händen die Konturen eines unsichtbaren Körpers nach. Daran muss er sich doch erinnern!
    Er schubst mich wieder aufs Bett und setzt sich auf die Kante, kramt in seiner Jacke herum, steckt sich ein Stethoskop in die Ohren. Mit einer Hand drückt er mich in die Kissen, mit der anderen legt er mir das Hörteil auf die Brust. Husten Sie mal kräftig, sagt er, Dr. Bozo macht das Aua wieder heile.
    Ich schüttle den Kopf und er drückt fester zu, bis ich wirklich husten muss.
    Sehr schön, sagt er. Das Problem liegt offenbar nicht in der Lunge, sondern - Er wirft das Stethoskop hinter sich - dort! Seine Hand klatscht auf meine Stirn. Dann kneift er mir in die Wangen und schüttelt meinen Kopf. Was soll ich nur mit dir machen? Hm?
    Das Messer. Ich halte das Messer immer noch fest umklammert. Ich könnte es ihm in die grinsende Visage stechen. Zwischen seine fetten, roten Lippen.
    Klar könntest du das, sagt er und steht auf. Oder doch nicht? Er kichert.
    Wenn mein Kopf nur nicht so wehtun würde. Wenn ich mich nur konzentrieren könnte. Aber ich kann nicht. Kann nicht, kann nicht, kann nicht.

Der Patient, Herr Blum und so
    Er legte das Messer auf den Tisch und rieb sich über die Stirn. Er fröstelte. Warum musste er jetzt an Bozo denken? Nach so langer Zeit? Bozo, der Clown, war verschwunden. Schon damals, als er noch in dem Haus gelebt hatte. Nachdem die Sache mit dem Mädchen … Der Patient schüttelte den Kopf. Aber es war ja gar nichts passiert. Nicht wirklich. Er war verrückt. Ja. Nichts war passiert. Er hatte Bozo besiegt, hatte es geschafft, sein böses Lachen aus seinem Kopf zu vertreiben, und er wollte es nie wieder hören. Nie wieder. Aber jetzt hallte das schrille Haha durch die Flure seiner Wohnung. Bald würde es im Wohnzimmer angelangt sein.
    Nein, das würde nicht passieren. Er würde einfach an etwas anderes denken. Sich beschäftigen. Der Alb war fertig. Er zappelte und schlug aufgeregt mit den Flügeln. Der Patient fesselte ihn mit dem Gürtel und legte ihn auf dem Sessel ab. Hoffentlich hatte Frau Schmitt noch genügend Wurstwasser.
     
    #
    Der Junge legte die Hand auf den Bildschirm, auf dem nur noch grauweißes Schneetreiben zu sehen war, und schloss die Augen. Es kribbelte in seinen Fingerspitzen. Und es kribbelte in seinem Kopf. Nein. Das war Irrsinn. Alles total verrückt. Der Patient hatte recht, er war verrückt. Das alles konnte unmöglich wahr sein. In Wahrheit saß er zu Hause in seinem Zimmer und hielt ein Messer in der Hand. Ein gutes Messer. Solide und verlässlich. Mit einer scharfen Klinge. Mit einer scharfen, blutigen Klinge. In der Küche klapperte sie mit Geschirr, er las in der Tageszeitung. Im Nebenzimmer versickerte Blut in einem weißen Laken. Weiß und rot. Rot und weiß. Und Bozo lacht. In seinem Kopf. Hahaha.

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