Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
Mörder gemacht haben. Das ist das, was die meisten nicht ertragen konnten: Helden wollten wir werden, Mörder sind wir geworden, das ist die größte Gewissensspaltung.“
Ich bin ergriffen, wie Boolah mich ins Vertrauen zieht und zu betroffen, um genauer nachzufragen. Es scheint ihm gut zu tun, dass ich Anteil nehme, als würden wir uns schon lange kennen. Seine blauen Augen glänzen so innig...
„Na ja“ sagt er nach einer Schweigepause, „Wir Amerikaner wissen sehr wenig von der Welt.“ Er muss loslachen. „Das beste Buch über Amerika, habe ich bei einem Deutschen, in Tibet gesehen. Das war so gründlich und informativ, dass du so etwas vielleicht nicht mal in Amerika bekommen kannst. Die Europäer sind sowieso sehr reisefreudig... Tibet war voll von denen, ich fand überall einen Deutschen, Norweger oder Schweden. Wir reisten und trampten des Öfteren auf unasphaltierten Landstraßen zusammen. Meistens haben uns Armee-Lkw-s mitgenommen, denn Personenautos habe ich kaum gesehen. Aber kein Problem, die Chinesen sind meistens sehr freundlich. Und in Tibet fühlen sich die Familien, bei denen du übernachtest, geehrt. Diese Menschen lachen immer. Es kommt oft vor, dass die Frauen mehrere Männer haben. Und wenn ich mal gefragt habe, wer der Vater der Kinder ist, haben sie nur gelacht. Wir erzählten uns Witze, obwohl ich kein Tibetisch und sie kein Englisch sprachen. Trotzdem hatten wir den ganzen Abend gelacht. Sie sind fröhliche Menschen. Ja, das kommt daher, dass sie Buddhisten sind. Die haben keine Angst vor dem Tod, das hat mich sehr angenehm berührt. Für sie ist nur der Körper sterblich, der Geist lebt in verschiedenen Formen ewig. Kann sein, dass du im nächsten Leben ein Hund wirst: ‘Om mani padme hum’“ rezitiert er.
„Om mani padme hum“ psalmodiere ich.
Ich hatte schon mal eine seitenfüllende Erleuchtung auf Deutsch darüber gelesen, was diese Wörter bedeuten. Aber vergiss es! Schließe deine Augen und sage sie wie Boolah, ‘Om mani padme hum’, aus seinem tiefsten Inneren. Er hat so eine kräftige Ausstrahlung, dass es gut tut, darin zu baden. Trotzdem ist es kein bisschen mystisch. Ach wo, wir hatten einfach einen angenehmen Tag, hatten schön gegessen und waren fröhlich. Also, lass die Seele fliegen, ohne irgendwelche Ismen. Wozu soll man sich einengen, viel lieber daran glauben, dass nur unsere Körper vergehen. Lass uns
lachen,
soviel wir können. Solange man lachen kann, erträgt man die äußeren Bürden leichter. Darüber fällt mir ein Witz von daheim ein.
„Was ist der absolut hoch entwickelte Kommunismus?“ frage ich Boolah.
„Hä??“..
„Na der, in dem jeder einen Hubschrauber und einen Farbfernseher besitzt, und jeder sich frei bewegen und informieren kann, was der Mensch auch brauchen wird. Denn, wenn ich meinen Fernseher zum Beispiel in Budapest einschalte und er mich darüber informiert, dass ein Warenhaus in Warschau gerade Gummistiefel bekommen hat, schwing ich mich in meinen Hubschrauber, und der Rest ist absolut freier Wettbewerb: Diejenigen, die zuerst dort ankommen, erhaschen noch ein Paar.“
„ Hahaha...“ lacht er so herzhaft, dass ich erstaunt bin, denn ich dachte, so könnten nur wir über uns selber lachen...
Es ist schon merkwürdig: Am nächsten Morgen werde ich gerade vom Hubschrauberlärm geweckt, und das ist kein Witz. Aber als ich schnell hinausrenne, ist er schon hinter den Bäumen der Bergkuppe verschwunden. Ich setze mich wieder in ‘mein’ Zimmer hin, betrachte durch die gläserne Schiebetür den Dschungel, der bis fast in das Zimmer rennt und warte, dass auch Boolah wegen des Helikopters herunterkommt. Aber er hat sich scheinbar nicht von ihm stören lassen und kommt erst wesentlich später herunter, lässt die Hunde rein, und das Haus füllt sich mit Leben. Kurz darauf öffnet sich die Tür, und ein kleiner blonder Knirps kommt herein, begrüßt uns und fängt an, mit den Hunden zu spielen.
„Das ist Jimmi“ sagt Boolah.
Das Kind entdeckt die große - drei Liter - Dose Gummibären auf dem Küchenschrank und fragt: „Kann ich was davon nehmen?“
„Klar, lang zu“ ermuntert ihn Boolah.
Da fängt Jimmi an, die Bären handvollweise in sich zu stopfen, bis sein Papa erscheint und seiner Völlerei ein Ende setzt:
„Nur weil Boolah dir alles erlaubt, muss du nicht alles übertreiben“ sagt er in der Art: “Du, du!“ Er heißt Jimbo und ist ein kräftiger, großer Kreole mit kurzem, wild kräuselndem Haar.
Weitere Kostenlose Bücher