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Keks & Drugs & Rock 'n' Roll

Keks & Drugs & Rock 'n' Roll

Titel: Keks & Drugs & Rock 'n' Roll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Virág
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kriege, dass ich mich erst eine Stunde nach Beginn anstelle, denn dann ist die Schlange schon sehr kurz, und wenn ich das Essen beendet habe, kann ich mich noch mal und noch mal anstellen. Sie bedienen jeden, der sich anstellt, egal wie oft. Natürlich, nur wenn das Futter nicht ausgeht.
    Das Frühstück ist recht langweilig. Ein Kaffee, ein trockener Kuchen und gelegentlich irgendein e Semmel.
    Während ich in der langen Schlange auf der Straße anstehe, (heute bin ich mal zu früh gekommen) sehe ich einen Typ, der mit seinem Kuchen durch den Ausgang kommt. Er hat keinen Happen davon gegessen. Nein. Er geht auf die andere Straßenseite und fängt an damit die Tauben, die in Scharen um ihn herumkreisen, zu futtern. Ich habe Hunger. Der Speichel läuft mir im Mund zusammen, mein Magen knurrt, meine bedingten Reflexe fangen an zu arbeiten und lassen die tobenden Reize in mein Hirn strömen. Am liebsten würde ich über die Straße hechten und seine Visage polieren. Aber ich stehe nur, meinen Platz wahrend, wie alle anderen, gleichgültig da und warte, dass ich endlich um die Ecke, auf der anderen Seite des Gebäudes den Eingang passieren kann.
    Ich entdecke einige Gesichter von gestern aus der Ellis Street. Es ist auch der heruntergekommene Schwule mit einem eleganteren Freund da. Aber die Mannschaft ist viel h omogener heute als gestern. Es gibt mehr Obdachlose und keine einzige Frau. Die Penner sind jedoch viel lustiger als gestern, es sind nur sehr wenige von den total abgewrackten Typen unter uns, und denen ist es auch anzumerken, dass die hartnäckige Zeit ihre Zähne sehr lange walten ließ, bis sie sie so herunterkauen konnte.
    Ich sehe einem langsam älter werdenden Vagabund an, dass sein Kopf wohl irgendwann mit Blumen, Frieden und Liebe vollgestopft gewesen war. Er hat eine blaue Jeans und ein kariertes Hemd an. Sein Bart, die schwarzgrauen langen Haare und sein buntes Stirnband verleihen ihm immer noch ein klassisches Hippie-Aussehen, aber die Augen und das Gesicht sind schon lange nicht mehr Spiegel seiner Seele. Die graublauen Kugeln unter seinen Augenbrauen blicken so ausdruckslos leer drein, als wären sie aus Glas. Das Gesicht ist mit Runzeln durchfurcht, aber seine Haltung ist baumgerade aufrecht.
    Moment mal! Dieser Typ spielt nur den Ausgebrannten. Ja, seit wann? Seit zehn, oder zwanzig Jahren? Er schützt sich dadurch gegen die Außenwelt. Ich würde ihm gern auf die Schulter klopfen: „Hey Jimmi, oder wie du auch heißt. Komm setz’ dich hin , mir kannst du etwas erzählen. Schau mir in die Augen! Siehst du, sie sind noch voller Blumen.“ (Vielleicht hatte der Polizist deswegen meinen Schlaf auf dem Bahnhof so bewacht.)
    Ich platziere mich an dem Tisch so, dass ich seinen Blick erhaschen kann, aber ich sehe nur Augen, ohne Blick. Sie sehen glattweg durch mich hindurch, als ob ich auch aus Glas wäre. Er schert sich eine hohle Luftblase um die Leute. Die Schwarzen Kerle, die um ihn herum lachen, gehen ihm auch an dem Gemüt vorbei. Das ist genau der Punkt, an dem ich nie ankommen möchte. Dieser Typ hatte so lange den Gleichgültigen gespielt, bis er es tatsächlich geworden ist.
    Draußen auf der Straße beobachte ich mich und entdecke, dass ich viel zu neugierig und naiv bin, um unbeteiligt zu bleiben. Hurra, meine Abenteuerlust ist noch voll intakt, und meine Lockerheit erreiche ich auch durch geistige Anstrengung. Ich habe mich noch nicht selbstautomatisiert. Hurra! Ab, nach Kokeland.
     
In Oakland steige ich
    im Stadtzentrum, der in meinem Stadtplan markiert ist, aus, und gehe in die Richtung los, die mir Paul beschrieben hatte. Die Straßen sind von Sonntagsspaziergängern bevölkert. Der McDonald’s ist fast überfüllt. Sogar ein Warenhaus ist offen. Einige Seitenstraßen querfeldein, und das Bild ändert sich flugs. Ein gemütlich gähnender Sonntagvormittag breitet sich über Einfamilienhäuser, in geraden, weitläufigen, sauberen Straßen, aus. Ich begegne selten Menschen. Nur vor dem Laden an einer Ecke wird es ein wenig lebhafter, aber eine Ecke weiter langweilen sich wieder die leeren Straßen. Dieses eintönige Schlummern wird gelegentlich durch kleine Gruppen von Schwarzen Frauen und Männern in Sonntagskleidern federleicht, sanft aufgewirbelt. Sie gehen in die Kirchen, von denen es fast in jeder Straße eine gibt, oder kommen von dort.
    Ich bin schon geneigt dazu, die Geschichte mit der Rumschießerei als reines Gerücht, Märchen abzutun. Was soll an dieser Stadt so besonders

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