Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
die zahlreichen Erwachsenen, die hier herumhängen. Ich habe den Eindruck, dies ist hier keine normale Schule, viel eher ein lockeres Kulturzentrum, oder Ähnliches. Meine Vermutung wird von einem freundlichen Kerl mit auffällig aufrechter Haltung bestätigt. Er hatte sich gerade vor kurzem für was ganz Positives entschieden: Er hat aufgehört mit der Sauferei.
„Kein Alkohol mehr! Ich will hier in der Schule eine Tanzgruppe für Erwachsene organisieren... Ich hab’s begriffen, der Alkohol ist keine Lösung für uns. Wir töten selber unsere Kultur damit. Ich wohne in einer Siedlung, wenn du nach Manderson fährst, kannste sie von der Straße aus sehen. Wir sind nur fünf Familien... und haben alle aufgehört. Kein Alkohol! Es war schwer, aber wir haben’s geschafft und jetzt wollen wir was Sinnvolles machen. Schau, der Alkohol und die härtesten Drogen sind ein Teil unseres Erbes. Aber, wenn wir den anderen Teil, unsere Kultur, bewahren wolln, müssen wir den harten Feind besiegen. Wir haben schon begriffen, dass das kein’ Sinn hat.“
„Das ist gut, Mann“ nicke ich anerkennend. „Da bist du wohl voll beschäftigt.“
„Hm, eigentlich gar nicht. Schau, deswegen will ich diese Tanzgruppe organisieren, dass wir die Zeit sinnvoller verbringen.“
„Und, was ist mit der ‘Indianerbewegung’, machst du da auch mit?“
„Auu, das ist schon lange nicht mehr aktuell. Schau, in den Siebzigern haben viele von uns geglaubt, dass man mit Waffen und Aufstand etwas erreichen kann. Aber unser größter Feind ist nicht der Weiße Mann, sondern der Alkohol. Wenn wir den besiegen und zusammen halten, wird uns der Weiße Mann auch ernst nehmen. In der letzten Zeit haben viele mit dem Alkohol aufgehört.“
Ich fange an, die Indianer etwas besser zu verstehen. Das sie die großen , welterlösenden Sachen anders als die Europäer machen. Der Indianer nähert sich ganz langsam seinem Ziel. Er will sich nicht zum Krüppel schuften für irgendeine grandiose neue Idee. Sein Ziel ist es, die Flamme seines Tatendrangs schön langsam am Leben erhalten. Und natürlich das stolze Selbstbewusstsein, ‘wir tun was Großartiges, Wichtiges’.
Um über diese Dinge mehr zu erfahren, gehe ich mit einem alten Vetter abends noch Mals in die Schule, zu seinem Unterricht für Erwachsene. Drei Stunden über die Geschichte der Sioux. Ich setze mich in seine Klasse und denke, dass ich schön anonym zuhören kann. Aber denkste! Der Alte muss unbedingt seinen Vetter aus dem Kommunisten Block vorstellen und reden lassen über das System und die Leute dort ‘Drüben’. Ich versuche mich aus dem Mittelpunkt zu stehlen, in dem ich erkläre, ich darf in Amerika nicht studieren und keine Vorträge halten.
„Warum“ lacht der Alte, „essen sie dich auf, wenn du nach Hause gehst?“
„Nein, das Problem habe ich hier. Es steht in meinem amerikanischen Visum...“
„Ah, amerikanisches Visum!“ ruft er dazwischen. „Du bist jetzt auf Indianer Boden und wir sind hier die Amerikaner. Aber, wenn es dich beruhigt, was du erzählst ist nicht Teil des Unterrichts. Es ist einfach Freundesg espräch.“
Ich versuche konzentriert über die Ähnlichkeiten und Unterschiede von hüben und drüben, über die Leute und deren Lebenseinstellung drüben zu Reden, aber die Zuhörer hier gähnen und gucken mich gelangweilt an. Sogar der Alte nickt ständig stolz, besserwisserisch als würde er sagen: „Ja, ja Ihr armen Teufel da in eurem Regime.“ Über Europa und ihre unte rschiedlichen Kulturen rede ich auch vergebens. Keine schwülstigen Tiraden. Sachlich und interessant. Aber es interessiert hier keinen, worüber ich erzähle. Ich als Person, mag vielleicht ein toller Typ sein, aber ich soll gefälligst diesen europäischen Kohl wo anders abladen. Ich spüre, dass es bei denen ein uralter Reflex sein muss, sich abzuschotten, deshalb beende ich schnell mein sinnlos gewordenes Geblabber.
Im Gegensatz zu ihnen, lerne ich eine Menge über ihre Geschichte im Unterricht von Adlerherz, so heißt der alte Vetter auf Stammesebene. Ich notiere fleißig, welcher Stamm, wann, wohin zog, wer die Häuptlinge waren und wann es große Schlachten gab... Nun weiß ich, dass die Sioux Dialekte sich im Wesentlichen in der Aussprache unterscheiden. Dass die Dakotas, Nakotas und Lakotas dasselbe Wort mit L, N, oder D Konsonanten sprechen. So ist das Dorf Oglala hier in Lakote. Auf Dakota würde es Ogdada, auf Nakota; Ognana heißen. Ich strenge mich an, dass ich
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