Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
anstoßen kann.
„Das ist die beste Zeit hier“ erklärt er. „Jetzt ist es leicht, Arbeit zu finden. Ich komme auch deswegen hierher, weil die Leute hier bei der Marihuanaernte Hilfe brauchen, und sie zahlen gut, auf Leistung... Aber, ich denke, das ist mein letztes Jahr hier, ich will weg von Amerika. Ich habe es satt. Seit fünf Jahren bin ich hier, Europa fehlt mir schon... Nach Schweden oder Norwegen, i rgendwohin, ist mir egal!“
Ich höre zu und kann mit seiner Wegwollerei nichts anfangen. Da geh’ ich lieber hinaus auf die Terrasse, wo viele herumstehen, von denen die meisten so rauchen, dass die Kippen im Kreis herumgereicht werden, und schon ist der Joint in meiner Hand. Ich möchte kein Spielverderber sein und nehme einen tiefen Zug, wie man es daheim pflegt, wo das Zeug kostenlos aus abgelegenen Ecken des Gartens sprießt, und halte den Rauch genauso lange in der Lunge. Ich bin zwar kein geübter Raucher, aber ich will auch nicht der Sonderling sein.
Boolah hat mir gerade vorhin erzählt, dass die Leute hier Fremde, die ohne Freunde auftauchen, nicht allzu sehr lieben, denn die meisten von denen sind, entweder Ganoven oder Schnüffler. Darüber kann ich aber nicht nachsinnen, denn der Joint ist schon wieder unter meiner Nase. Noch einmal einen Riesenzug!
Boolah erzählt derweil den anderen ganz begeistert: „Guck mal den Kumpel an! Er kommt aus dem Sowjet-Block und sieht aus wie du oder ich. Er meint, sie sind hinter dem Eisernen Vorhang auch mit dem Rock’n’Roll groß geworden. Dieselbe Musik wie bei uns! Das kann nicht wahr sein! Die Menschen sind doch überall dieselben!“
Da kommt schon wieder der Joint, aber ich winke ab.
„Danke, das reicht mir für eine Weile.“
Ich merke schon, wie mir die zwei kräftigen Züge in die Omme steigen. Das Kraut hier ist doch einen Zacken stärker als das, was in Ungarn am Straßenrand wächst. Mann! und ich Idiot habe es so kräftig auf die Lunge genommen. Außerdem bin ich auch viel ungeübter als die Typen hier. Denn schau sie dir mal an, du merkst überhaupt nichts bei denen. Sie sind einfach locker und fröhlich. Mich würde bestimmt eine Karo Zigarette aus der DDR schon zu Boden schicken. Ich atme in tiefen Zügen, um ein bisschen klarer zu werden. Nun beginnt aber die Musik wieder zu dröhnen. In mir dröhnt es auch, und ich fange an abzuheben. Ich bin beflügelt und der Saal fliegt mit. Die Musik ist in meinem kleinen Finger, in meinem Zeh. Meine Beine rotieren, meine Arme werden zu Flügeln, mein Körper zur Schlange, und die Musik ist mein Atem. Ich verliere nicht die Selbstkontrolle. Ich lasse mich einfach los und beobachte, was mit meinem Körper geschieht. Die Jointwirkung vergeht allmählich, aber mein Tanz wird immer beflügelter. Nicht das Kraut macht es, sondern; die MUSIK.
Ich spüre, verstehe und liebe sie. Das ist alles: sie in mir aufzunehmen wie die Natur, wie die Riesenbäume heute Nachmittag. In meinen Adern pulsiert Musik, meine Reflexe schenk’ ich den verschiedenen Instrumenten, das Schlagzeug beherrscht meine Beine und den Unterkörper, der Bass meinen Oberkörper und die Gitarre meine Hände und meinen Kopf. Jedes Instrument steuert die passenden Reflexe an.
Die Band ist wunderbar zusammen, so fällt es meinen Körperteilen leicht, die einzelnen Bewegungen zu koordinieren. Mein Hirn ist sauber, und zwar dermaßen, dass ich mit geschlossenen Augen hindurchschauen kann.
Dass wieder Pause ist, bekomme ich nur durch die lang anhaltende Stille mit. Ich gehe hinaus, um tief durchzuatmen, und der Joint geht schon wieder seine Runde, aber ich winke ab. Ich bin doch nicht behämmert, meine Stimmung zu verderben, und die Jungs bestehen auch nicht darauf. Sie rauchen ohne mich weiter.
Da biegt auf einmal ein Polizeiwagen um die Ecke, schleicht sich schön gemütlich an uns heran. Die beiden Polizisten drehen die Seitenscheibe herunter, und als sie uns erreichen, bleiben sie fast stehen, aber nur fast, dabei lächeln sie mit dem Wissen, dass sie hier jetzt am wenigsten willkommen sind, so gleiten sie gemächlich weiter und verschwinden wieder an der nächsten Ecke. Für einen Moment hat es allen den Atem verschlagen, die Joints wurden hastig ausgemacht oder in den Mund gesteckt, und der Rauch wurde einbehalten. Kaum ist aber der Wagen von der Szene, fangen alle an zu husten und zu krächzen, und wie sie einander anblicken, viehisch übereinander zu kichern, was die geräucherten Kehlen zu noch mehr Husten reizt, sodass am
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