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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Peter Henning
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stellte auch seinen Plan nicht in Frage. Dies
würde ihn nur dazu bringen, sein Vorhaben aufzugeben und zu flüchten. Doch dazu
war es zu spät. Der Entsorger war bereits viel zu nah. Wenn er jetzt flüchtete,
dann würde er planlos und voller Panik durch die Korridore irren. Am Ende würde
er seinem Verfolger in die Arme laufen. Nein, er würde hier bleiben und diese
Geschichte zu Ende bringen.
    Um seinen Fluchtreflex zu
unterdrücken, versuchte er, das Gefühl und dessen Hintergründe zu erforschen.
Er fragte sich, wovor er sich eigentlich fürchtete. Die ganze Zeit über hatte
er einfach nur einen Drang verspürt. Er hatte jedoch nicht daran gedacht, was
wohl mit ihm geschehen würde, wenn er tatsächlich erwischt wurde.
    Ganz klar: Dann würde er
sterben. Das hatte er die ganze Zeit über gewusst, doch erst jetzt wurde diese
Möglichkeit für ihn wirklich greifbar. Nicht einmal in der Kriegszone hatte er
seinen Tod ernsthaft in Erwägung gezogen. Auch in der Kanalisation hatten ihn
solche Gedanken nicht gequält. Sicher, er hatte eine seltsame Form der
Enttäuschung verspürt, doch er hatte nicht wirklich mit seinem Tod gerechnet.
Aber hier, in diesem Hörsaal, fürchtete er zum ersten Mal, tatsächlich sein
Leben zu verlieren.
    Er fragte sich, wie sich die
Veranstalter dieser Menschenjagd den Endkampf wohl vorgestellt hatten. Hatten
sie irgendwo in diesem Labyrinth eine Arena aufgebaut? Oder sollte er
irgendwann in eine Sackgasse ohne Ausweg geraten, um mit dem Rücken zur Wand zu
kämpfen?
    Nun, er würde es nicht
erfahren, denn dieser Endkampf fand auf seinem Terrain und zu seinen
Bedingungen statt. Und vielleicht lag genau darin seine Chance, diese
Geschichte zu überleben - indem er etwas Unerwartetes tat. Bei diesem
Liliputaner hatte es schließlich auch funktioniert. Zumindest eine Zeit lang.
Und genau deswegen würde er hier bleiben, an Ort und Stelle, und dem Entsorger
auflauern.
    Dazu hatte er sich mit dem
G-36C im Anschlag hinter der letzten Tischreihe verschanzt. Von hier aus konnte
er zwei der drei Eingänge überwachen. Blieb nur ein unbewachter Eingang -
dummerweise direkt hinter ihm. Eine andere Position kam jedoch nicht in Frage.
Alle anderen Tische lagen in Trümmern. Dort fand er keine Deckung. In einem
Feuergefecht würden die Möbel zwar keine Kugel abhalten, doch sie würden ihm
wenigstens einen gewissen Sichtschutz bieten.
    Im Idealfall würde es so
ablaufen: Der Entsorger betrat den Raum durch den Eingang an der Bühne. Er
schoss dem Entsorger ein Loch in den Kopf und feierte anschließend die Party
seines Lebens.
    Möglichkeit zwei: Er schoss
daneben. Mit etwas Glück würde der Entsorger dann in die Falle tappen, die er
vorbereitet hatte. Anschließend Party.
    Die Möglichkeiten Nummer
drei und vier: Der Entsorger nahm die Tür rechts neben ihm. Auch in diesem Fall
hoffte er, einen schnellen Schuss anzubringen und die Sache zu beenden.
    Nur Möglichkeit fünf gefiel
ihm überhaupt nicht: Der Entsorger nahm die Tür genau hinter ihm. Dann kam es
darauf an, wer schneller reagierte. Falls er es schaffte, sich rechtzeitig
umzudrehen, dann konnte er seine Party feiern. Falls der Entsorger schneller
reagierte, dann hatte sich die Sache erledigt. Dann würde er sterben.
    Je länger er darüber
nachdachte, desto hirnrissiger kam ihm diese ganze Aktion vor. War er
tatsächlich davon ausgegangen, er könne diesen Killer mit einer simplen Falle
überlisten? Und hatte er tatsächlich geglaubt, er könne seinen Fluchtreflex
unter Kontrolle halten? Mann, was war er für ein Rindvieh (auch wenn sein
Gehirn in diesem Moment kein Bild für das Wort „Rindvieh" lieferte).
    Er würde das hier nicht
aushalten. Er konnte nicht einfach hier sitzen bleiben und abwarten, bis dieser
Killer auftauchte. Dieser Entsorger war etwas, womit er nicht fertig werden
konnte. Er musste hier weg, so lange es noch ging. Er durfte nicht länger
zögern.
    Nein!
    Diesmal würde er diesem
Gedanken nicht nachgeben. Genau das wollten die Leute, die ihm das hier angetan
hatten. Doch diesen Gefallen würde er ihnen nicht tun, auch wenn er allmählich
Schwierigkeiten bekam, seinen Enddarm in Zaum zu halten. Außerdem lief ihm das
Wasser im Mund zusammen - ein untrügliches Zeichen dafür, dass er sich in
absehbarer Zeit böse bekotzen würde. Doch er würde
nicht weglaufen. Diesmal nicht.
    Doch!
    Er musste hier weg, jetzt
sofort. Er würde sowieso keinen Treffer landen können. Der Schweiß tropfte in
seine Augen, seine Hände

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