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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Peter Henning
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die
Suche auf. Als sie unterwegs Halt machte, um Türen zu öffnen und Räume zu
durchsuchen, scheuchte er sie weiter. Es blieb einfach keine Zeit mehr. Auch
wenn sich die Kleine unglaublich zielgerichtet durch das Labyrinth bewegte,
waren sie immer wieder zum Umkehren gezwungen - entweder, weil sie in eine
Sackgasse gelaufen waren oder weil die Kleine „so ein komisches Gefühl"
hatte. Diese Unterbrechungen verringerten ihren Vorsprung vor dem Entsorger
immer mehr.
    Schließlich entdeckte die
Kleine ein Treppenhaus und es ging nach unten. Das löste bei ihm beinahe schon
Euphorie aus. Inzwischen hatte er sich jedoch wieder einigermaßen im Griff,
denn die Wirkung des Schmerzkillers ließ immer mehr nach.
    So bewegten sie sich zu
einem zweiten Treppenhaus und noch weiter nach unten. Dann, als er schon
beinahe nicht mehr daran glauben wollte, bewegte sich die Kleine etwas
zögerlicher. Dabei murmelte sie vor sich hin: „Hier muss doch irgendwo etwas
sein. Hier muss doch etwas sein."
    Sie öffnete mehrere Türen,
entdeckte aber nur normale Räume voller Trümmer, Dreck und Schutt. Er ließ sie
gewähren, so lange sie keine Zeit vertrödelte. Stattdessen beschäftigte er sich
damit, seinen Fluchtreflex zu unterdrücken, der ihn immer nachdrücklicher
anwies, schnellstens von hier zu verschwinden.
    Als die Kleine schließlich
„Bongo!" schrie, ließ er vor Schreck beinahe sein Gewehr fallen.
    Der Raum, den sie gefunden
hatte, fiel komplett aus dem bislang ihm bekannten Raster. Genau genommen
handelte es sich um eine kleine Halle. Die Tür bot einen Blick auf eine kleine
Bühne mit den Überresten eines Stehpultes und eines Gestells, das er erst auf
den zweiten Blick als eine große Schultafel erkannte. Ein Teil der Tafel hatte
die Verwüstung unversehrt überstanden. Auf diesem Teil der Tafel waren Ketten
der Buchstaben A, G, T und C mit Kreide notiert. Außerdem gab es einen nahezu
unversehrten Stuhl. Jenseits der Bühne stieg der Boden in Stufen an. Auf jeder
Stufe sah er eine Reihe Tische mit Sitzbänken. Von vielen Tischen waren nur
Trümmer übrig geblieben. Einige Tische fehlten komplett.
    Er schenkte der Möblierung
kaum Aufmerksamkeit. Stattdessen konzentrierte er sich auf die taktischen
Gegebenheiten. Und die sahen nicht ganz so aus, wie er es sich vorgestellt
hatte.
    „ Drei Eingänge", sagte
er. Immerhin hatte er inzwischen auch wieder die volle Kontrolle über seine
Zunge wiedererlangt und mit dem Lallen aufgehört. „Dieser hier und dort oben,
hinter den letzten Sitzreihen, nochmal je eine Tür rechts und links. Das ist
nicht gut. Ich kann immer nur zwei Türen im Blickfeld behalten. Außerdem sehe
ich den Durchgang nicht, den ich dringend brauche."
    Die Kleine versuchte, sich
an ihm vorbei zu quetschen, doch er hielt sie am Arm fest. „Was, wenn das
wieder eine Falle ist?"
    „ Nee." Die Kleine
schüttelte den Kopf. „Fallen sind größer. Außerdem war hier schon mal jemand
drin. Oder glaubst du, die ganzen Möbel seien von selbst auseinander gefallen?
Irgendjemand muss das ganze Holz hier raus geschleppt haben."
    Sie tappte auf die Bühne und
sah sich um, während er an der Tür wartete und zu sortieren versuchte, was sie
gerade gesagt hatte. Ein klein wenig rechnete er damit, jeden Augenblick einen
Knall zu hören und die Kleine sterben zu sehen. Doch es geschah nichts
dergleichen. Stattdessen lachte die Kleine plötzlich laut auf und deutete auf
einen Punkt vor der Bühne, den er von seinem Standort aus nicht sehen konnte.
    „ Na also, da ist doch, was
du suchst."
    Er trat in den Raum hinein.
Doch bevor er nachschaute, was die Kleine neben der Bühne gefunden hatte, sah
er sich um. Er war sich ziemlich sicher, einen solchen Raum schon einmal
gesehen zu haben, doch er konnte die Struktur nicht einordnen. Falls ihn sein
Gefühl nicht trog, dann hatte er einen solchen Raum nicht von der Bühne aus
gesehen, sondern vom Publikum aus. Er versuchte, den Gedanken zu fassen und die
Erinnerung ans Licht zu zerren, doch bereits im nächsten Augenblick wirkte der
Raum wieder so fremd auf ihn, wie alle anderen Räume auch. Nur das leise Echo
einer Erinnerung blieb zurück. Es lautete „Hörsaal“ – obwohl er überhaupt nicht
wusste, was es hier zu hören gab. Alles war still.
    Vor der Bühne fand er dann
tatsächlich, wonach er gesucht hatte. Für seinen Geschmack sah dies aber noch
zu offensichtlich aus. Deswegen musste er etwas für die Tarnung tun. Er musste
sich beeilen, bevor die Wirkung des

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