Kellerwelt

Schmerzkillers endgültig nachließ und ihn
der Mut verließ.
    Zuvor musste er jedoch noch
etwas anderes tun. Dazu wandte er sich an die Kleine.
    „ Gut. Hier ist alles, was
ich brauche. Zeit für dich, zu verschwinden."
    Die Kleine warf ihm einen
verständnislosen Blick zu. „Was soll ich?"
    „ Du sollst verschwinden.
Abhauen. Die Kurve kratzen. Wir sind fertig miteinander. Bei dem, was ich jetzt
vorhabe, solltest du nicht in der Nähe sein."
    Als er den Blick der Kleinen
erwiderte, war ihm klar, es würde nun Diskussionen geben. Die Kleine würde sich
nicht einfach von ihm abservieren lassen. Sie war es gewohnt, sich an jemanden
zu hängen, der ihr sagte, was sie zu tun und was sie zu lassen hatte. Doch das
durfte er nicht zulassen.
    „ Pass auf: Wenn die Wirkung
dieser geilen Pillen nachlässt, dann verwandele ich mich in einen Typen, mit
dem du garantiert nichts zu tun haben willst. Ich dachte die ganze Zeit, ich
sei nur ein ganz normaler Kerl von der Straße. Deswegen habe ich versucht,
diesen finsteren Burschen in meinem Kopf zu unterdrücken. Bei dem, was ich nun
vorhabe, brauche ich ihn aber dringend. Und wenn er das Steuer übernimmt, dann
solltest du nicht in der Nähe sein. Das ist nämlich kein netter Kerl. Der wird
dich nicht beschützen. Vielmehr denkt er darüber nach, ob er dich vielleicht
als Köder einsetzen sollte. Das tut er gerade jetzt, während ich rede. Ich höre
einfach nicht auf ihn. Aber gleich werde ich das tun. Also verschwinde, bevor
ich mich vergesse … und zwar im wahrsten Sinne des Wortes."
    So, nun hatte er alles laut
ausgesprochen. Das machte es ihm leichter, die Sache zu akzeptieren. Der Chef
hatte die ganze Zeit über Recht gehabt. Diese Gedanken voller Hinterhältigkeit
und Gewalttätigkeit machten ihm schon zu schaffen, seit er hier aufgewacht war.
Er konnte ihnen nicht aus dem Weg gehen oder sie unterdrücken, weil sie nun
einmal ein Teil seiner eigenen Natur waren. Und wenn er diesen Gedanken schon
nicht entfliehen konnte, dann würde er sie eben zu seinem Vorteil einsetzen.
Doch das würde er nicht auf Kosten anderer tun, solange er es vermeiden konnte.
    Wenn sein Alter Ego erst
einmal die Kontrolle übernommen hatte, dann würden seine Entscheidungen ganz
anders aussehen als bisher. Also schickte er die Kleine weg. Und falls sie nun
diskutieren wollte, dann würde er Mühe haben, weitere Argumente zu finden. Wenn
sie Pech hatte, dann würde er sich nur zu gerne dazu überreden lassen, sie bei
sich zu behalten.
    Zu ihrem Glück wollte die
Kleine jedoch überhaupt nicht diskutieren. Im Gegenteil: Sie zuckte lediglich mit den Schultern und nickte dann mit leerem Gesichtsausdruck. „Dann
gehe ich mal. Vielleicht sieht man sich."
    Noch bevor er sich einige
Worte zum Abschied überlegen konnte, war die Kleine bereits durch die Tür
verschwunden.
    Konnte das wahr sein? Da
hatte er sie quer durch die Kriegszone geschleppt und immer wieder ihr Leben
gerettet, und nun ließ sie ihn einfach hier stehen?
    Ja, das war genau das
Verhalten, das er an diesen Kühen nicht leiden konnte. Denen war alles egal.
Alles und jeder. Die waren nichts weiter als Geräte, die man ein- und
ausschalten konnte, wie man es gerade benötigte. Doch so etwas wie Loyalität
oder Sympathie kannten die nicht. Und das brachte ihn auf die Palme. Er sollte
dieser kleinen Göre folgen, sie zurückholen und sie dann an einem strategisch
günstigen …
    Stopp!
    Genau davon hatte er
gesprochen, als er die Kleine weggeschickt hatte. Genau mit diesen
Gedankengängen freundete er sich mehr und mehr an. Hätte er noch einen
Augenblick gezögert, dann hätte er die Kleine tatsächlich als Köder eingesetzt.
    Und Scheiße nochmal, er
hätte es tun sollen!
    Doch wenn er ihr nun folgte,
dann würde ihn der Mut verlassen und er würde nicht wieder hierher
zurückkehren. Außerdem machte es keinen Sinn, der Kleinen zu folgen. Bereits
nach zwei Abzweigungen würde er sich hoffnungslos verlaufen und das Mädchen
niemals wiederfinden.
    Nein, mit diesen Gedanken
sollte er sich nicht aufhalten - auch wenn ihn das Verhalten der Kleinen
ärgerte. Stattdessen sollte er sich darauf konzentrieren, seine Falle vorzubereiten.
Dabei wusste er noch nicht einmal, wie diese Falle genau funktionieren sollte.

Nahkampf
     
    Nicht weiter. Nicht einen
Schritt weiter, auch wenn er es noch so sehr wollte.
    Auch wenn sich die Wirkung
des Schmerzkillers inzwischen komplett verflüchtigt hatte - er rührte sich
nicht mehr von der Stelle. Er