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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Peter Henning
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Überall gingen
Menschen ein und aus. Und hier, nahe der Wand, ging es auch etwas lebhafter zu,
als es zwischen den Schrotthaufen der Fall gewesen war. Er nahm an, die
Instandsetzer und die Lastenträger hatten zwischen den Haufen zu viel zu tun,
um sich miteinander unterhalten. Hier an der Seitenwand hingegen trieben die
Siedler offenbar Handel und tauschten Neuigkeiten aus. Den Blicken nach zu
urteilen, die er von allen Seiten erntete, kletterte er wohl gerade an die
Spitze der Schlagzeilen.
    Die Kleine hielt neben einer
Tür an und wartete auf ihn. Als er sie erreichte, wies sie in das Innere des
Raums. „Das hier ist die Kantine. Der Chef ist da hinten, an dem Tisch ganz
links in der Ecke. Lass mich vorgehen und mit dem Chef reden."
    Er warf einen Blick in den
Raum. Tatsächlich sah es hier aus wie in einer Kantine. Mehrere Tische, an
denen jeweils bis zu sechs Leute Platz fanden, standen ordentlich in Reih und
Glied. Nur wenige davon waren besetzt. Die Kleine nahm Kurs auf den Tisch in
der hinteren linken Ecke. Dort saß ein Liliputaner mit einer Visage, in die er
gerne einmal hineingeschlagen hätte. Der Zwerg kassierte offenbar gerade eine
Standpauke von einem Typen in roten Klamotten. Zumindest waren diese Klamotten
irgendwann einmal rot gewesen. Inzwischen wirkten sie eher rosa. Bei diesem
Typen musste es sich um den Chef handeln. Er wunderte sich, weswegen sich der
Chef mit einer so lächerlichen Farbe bekleidete. Hatte die Kleine nicht davon
gesprochen, der Chef trage schwarze Kleidung? Er nahm an, er würde es erfahren,
wenn der Chef damit fertig war, diesen Zwergen zur Sau zu machen.
    Zu seiner Überraschung
wandte sich die Kleine nicht an den Mann in Rosa, sondern an den Liliputaner.
Dieser schaute zu ihr auf. Zuerst wirkte er für einen kurzen Augenblick
verärgert, dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. Offenbar
freute er sich, die Kleine wiederzusehen. Sie sprach einige Worte, dann nickte
sie in seine Richtung. Der Zwerg folgte ihrem Nicken und schaute zur Tür. Dabei
sackte die Miene des Zwergs beinahe bis zum Boden durch.
    Die Kleine sah das Gesicht
des Zwergs nicht, denn sie wandte dem Liliputaner gerade den Rücken zu.
Stattdessen winkte sie ihm zu, näher zu treten.
    Erst jetzt verstand er, was
er da sah: Der Liliputaner trug Schwarz. Er würde sich also mit einem Zwerg
unterhalten müssen - einem Zwerg, der hier den Chef spielte. Na, wenn das mal
nicht der Hit in Dosen war!

Einzelgänger
     
    Als er sich dem Tisch
näherte, sprach der Zwerg einige Worte zu dem Burschen in Rosa. Dieser hörte
dem Zwerg zu und schaute ihn dann kurz über die Schulter hinweg an. Als habe
ihn dieser Anblick überzeugt, erhob sich der Bursche in Rosa und verschwand in
Richtung Ausgang. Dabei blieb der Kerl so dicht bei der Wand wie nur möglich.
Im Anschluss daran sagte der Liliputaner noch einige Worte zur Kleinen. Sie
zuckte mit den Schultern, wie sie es immer tat. Zweimal. Dann verzog auch sie
sich vom Tisch.
    Er wartete nicht ab, bis ihn
der Liliputaner bat, Platz zu nehmen. Stattdessen trat er an den Tisch heran
und ließ sich in den Stuhl sacken, auf dem einige Augenblicke zuvor noch der
Bursche in Rosa gesessen hatte. Von dort aus betrachtete er den Liliputaner
näher.
    Natürlich sah dieser Zwerg
aus, wie alle Zwergen aussahen: Arme und Beine viel zu kurz, der Kopf hingegen
viel zu groß für den Rest des Körpers. Die Klamotten, die dieser Zwerg trug,
ähnelten auf verblüffende Weise seinen eigenen. Allerdings hatten sie bereits
einen Großteil ihrer schwarzen Farbe eingebüßt. Deswegen hatte er den Zwerg
zunächst für einen der Leute gehalten, die draußen den Schrott reparierten. Für
einen Instandsetzer.
    Doch dieser Zwerg hier hatte
nichts mit den stummen Malochern draußen gemeinsam. Das lag nicht zuletzt an
seinem Blick. In den Augen des Zwergs lag eiskalte Berechnung. Außerdem lag in
diesem Blick etwas Drohendes. Etwas Hinterhältiges.
    Er entschied, die Sache
offensiv anzugehen. „Du bist hier also der Chef, nehme ich an."
    Der Zwerg nickte. „Verdammt
richtig. Und du scheinst mir ein Neuer zu sein. Deine Klamotten stinken zwar
nach Scheiße und sind schon voller Löcher, aber sie haben noch ihre
ursprüngliche Farbe. Das bedeutet, du bist noch nicht lange hier."
    Er sah an sich herab.
„Schuldig."
    „ Und jetzt hast du einen
Haufen Fragen. Die Kleine hat dir gesagt, der Chef wisse Bescheid und der Chef
kenne sich aus. Deswegen sitzt du nun hier."
    Er nickte. „So

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