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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Peter Henning
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bestimmten Raum festlegen und blieben
lieber mobil. Die Kleine bezeichnete sich selbst als einen Springer.
    Zwischen den Räumen seien
Latrinen und Quellen verteilt, erklärte sie weiter. Der Chef habe außerdem
verschiedene „Funktionsräume" angelegt. So gebe es Räume, die
ausschließlich der Körperhygiene dienten und andere Räume, in denen
ausschließlich Wäsche gewaschen wurde.
    Als sie dann den Raum
erreichten, den die Kleine als „Haupthalle" bezeichnete, versagte beinahe
sein Kreislauf. Als er diese Halle sah, verabschiedete sich seine restliche
Hoffnung, einen schnellen Ausweg aus diesem Keller zu finden.
    Was hieß eigentlich
„Keller"?
    Sie erreichten die Halle
zwei Stockwerke über dem Boden. Ein Laufsteg aus Metall führte an der Wand
entlang nach unten. Von ihrem Standort aus konnte er noch drei Stockwerke nach
oben schauen. Die Seitenwände der Halle konnte er gerade noch erkennen. Die
Rückwand verschwand in der Dunkelheit.
    An den Wänden herrschte
emsige Betriebsamkeit. Überall erkannte er Laufstege, auf denen Menschen
unterwegs waren. Leitern und Treppen führten von einer Ebene zur nächsten.
    „ Das sind unsere
Lagerräume", erklärte die Kleine und wies auf eine Seitenwand. „Da gibt es
alles Mögliche. Die Beschaffer sind dauernd unterwegs und schleppen Zeug heran.
Sie kippen alles auf dem Zentralplatz aus. Dann wird das Zeug sortiert und in
die Lager gebracht."
    Er folgte ihrem Fingerzeig
und blickte nach unten. Schrott- und Schutthaufen bedeckten den gesamten Boden
der Halle, soweit er schauen konnte. Auf jedem Haufen entdeckte er bestimmte
Materialsorten oder Gegenstände. So sah er beispielsweise einen Haufen, der nur
aus Stühlen bestand, die meisten davon stark
beschädigt. Fehlende Stuhlbeine oder zerbrochene Sitzflächen. Ein weiterer,
kleinerer Haufen bestand offenbar nur aus verbogenen Metallteilen.
    Zwischen den Haufen brannten
Feuer - einige in Tonnen, andere offen. Der Rauch zog nach oben ab und
verschwand durch irgendwelche Öffnungen an der Decke, die er im Dämmerlicht
nicht ausmachen konnte.
    Die Kleine schien seine
Gedanken zu erraten. „Siehst du die Jungs in den grauen Klamotten? Das sind
Instandsetzer. Die haben es total drauf, den alten Schrott zu reparieren. Die
nehmen einfach drei kaputte Stühle und machen einen ganzen draus. Dann kommt so
ein Typ in blauen Klamotten. Das sind die Transporter. Die erkennt man auch
daran, dass sie ein bisschen mehr auf den Rippen haben. Die schleppen den
reparierten Kram dann in das richtige Lager an der Wand. Ganz unten sind die
Lagerräume für die großen, schweren Sachen. Ganz oben sind die Räume für die
wertvollen Geschichten. Der Chef meint, die seien leichter zu bewachen, damit
niemand etwas klaut."
    Er konnte diese Szenerie nur
mit einem Kopfschütteln betrachten. Nach der Begegnung mit den Spinnen hatte er
geglaubt, ihn könne nichts mehr schockieren. Diese Siedlung hingegen schlug dem
Fass die Flinte ins Korn. All dieses Material, das hier zusammengetragen wurde.
Die gigantischen Dimensionen dieser Halle. Und überall wuselten Menschen umher.
    „ Das gibt es nicht",
murmelte er vor sich hin. „Die haben hier drin eine komplette Stadt. Das gibt
es nicht."
    Die Kleine zupfte an seinem
Ärmel. „Was ist jetzt. Willst du hier herumstehen und glotzen oder willst du
zum Chef?"
    Er konnte sich nur mit Mühe vom
Anblick dieser Halle losreißen und der Kleinen die Rampe hinab folgen. Unten
angekommen, wirkte der Platz weit weniger imposant. Die Materialhaufen
versperrten die Sicht in alle Richtungen. Außerdem hatte er keine Zeit, sich
weiter umzusehen, denn die Kleine legte ein ziemliches Tempo vor. Er hatte
keine Lust, sie hier drin zu verlieren und einen der Siedler nach dem Weg
fragen zu müssen. Mit den Kreaturen, denen er hier begegnete, wollte er so
wenig wie möglich zu tun haben. In ihren Gesichtern las er nur Desinteresse
oder Ablehnung. Er sah kein einziges Lächeln und er hörte kein einziges
aufmunterndes Wort. Obwohl die Kleine ebenfalls nur wenig Temperament erkennen
ließ, schien sie doch eine Ausnahme zu bilden. Sie sprach unterwegs mehrere
Leute an, rief Grüße in verschiedene Richtungen und klopfte sogar dem einen
oder anderen Arbeiter (Instandsetzer - die Kerle in grauer Kleidung hatte sie
Instandsetzer genannt) auf die Schulter.
    Schließlich erreichten sie
die Seitenwand der Siedlung. Er schaute nach oben. Die Wand ragte über fünf
Stockwerke vor ihm auf. Überall Türen, die meisten davon offen.

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