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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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zerrissenen, seidenen Kleidern, zerfetzten Pelzen und Decken, die sie von den Sätteln der toten Soldaten erbeutet hatten, machte sie sich daran, eine kräftige Suppe zu kochen.
    Etwa eine Stunde später stießen sie auf eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Flüchtlingen, die sich voller Furcht zu ihnen umdrehten, als sie den Hufschlag der Pferde hörten. Etliche rannten auf die Felder neben der Großen Nordstraße, bis sie die beiden jungen Mädchen erkannten, die mit Kell und Saark ritten. Die beiden trieben ihre Pferde an die Spitze der Kolonne, und Kell stieg neben einem stämmigen, mürrisch wirkenden Mann ab, der kräftige Arme und Schultern wie ein Bulle hatte.
    »Wohin seid Ihr unterwegs?«, fragte Kell.
    »Wer will das wissen?«
    »Ich bin Kell. Ich bin hier, um den König zu warnen, dass eine Armee in sein Land eingefallen ist.«
    Der Mann entspannte sich ein bisschen, betrachtete jedoch nervös Kells Axt und den Svian an seinem nackten Unterarm. »Ich bin Brall und war Schmied in Tells Fold. Das Dorf gibt es nicht mehr. Diese Mistkerle, diese Albinos, haben uns mitten in der Nacht überfallen, vor zwei Nächten, und haben mit ihrer Magie die Leute auf den Straßen zu Eis gefroren. Ich kann ihre Schreie immer noch hören. Eine kleine Gruppe von uns«, er warf den Leuten hinter sich einen kurzen Blick zu, »ist in die Wälder geflüchtet. Und wir sind weitergelaufen, werden bis zum Meer laufen, wenn das nötig ist.«
    Eine Frau näherte sich ihnen. »Es war schrecklich«, erklärte sie. Das Entsetzen war ihr immer noch an den Augen abzulesen. »Sie haben alle getötet. Männer, Frauen, Kinder. Und dann … dann sind diese Geister durch die Straßen geglitten und haben das Blut der Kinder getrunken.« Sie schüttelte sich, und Kell glaubte einen Augenblick, dass sie sich übergeben müsste. »Sie haben sie in spröde Hüllen aus Haut und Knochen verwandelt. Du tötest mich doch, Brall, ehe du das zulässt?«
    »Ja, mein Mädchen«, sagte er und schlang seinen dicken Arm um ihre Schultern.
    »Habt Ihr irgendwelche Soldaten von Falanor auf der Straße gesehen?«, erkundigte sich Saark, der ebenfalls abgestiegen war.
    »Nein.« Brall schüttelte den Kopf. »Jedenfalls nicht in den letzten zwei Wochen. Die meisten Bataillone stehen im Süden.«
    »Wisst Ihr, wo König Leanoric lagert?«
    Brall zuckte mit den Schultern. »Ich bin nur ein Schmied«, meinte er. »Mir vertraut man solche Dinge nicht an.«
    »Danke.« Saark wandte sich an Kell. »Ich weiß, was hier los ist.«
    »Und was?«
    »Mehr als die Hälfte von Leanorics Soldaten sind bezahlte Freiwillige, also Sommersoldaten. Im Winter gehen sie nach Hause. Das Schwarzspitz-Massiv, das Leanoric in der Vergangenheit so viel Furcht eingeflößt hat, ist im Winter unpassierbar. Wenn also der Winter kommt und sich nach Süden ausbreitet, schickt er die meisten Freiwilligen wieder nach Hause zu ihren Familien. Er wird jetzt diese Divisionen besuchen, Befehlsstrukturen neu organisieren und entscheiden, wer den Winter über nach Hause gehen kann, und dergleichen.«
    »Das heißt, während wir hier stehen und reden, löst er möglicherweise die Armee auf, die er brauchen würde?«
    »Ganz genau.«
    »Das ist nicht gut«, meinte Kell. »Setzen wir uns in Bewegung.«
    Sie galoppierten weiter und ließen die kleine Schar Überlebender aus Tells Fold hinter sich.
    Sie ritten den ganzen Tag. Als sich der Schneefall verstärkte und es dunkel wurde, bogen sie von der Großen Nordstraße ab und suchten nach einem Unterschlupf, einer Schutzhütte. In den Jahrzehnten zuvor hatte Leanoric, dem Beispiel seines Vaters folgend, solche Schutzhütten in größeren Abständen entlang der großen Verkehrsadern errichtet, damit Reisende und Soldaten dort im Notfall Unterschlupf fanden. Jetzt schneite es stärker, und Saark deutete auf eine lange, niedrige Holzhütte, die im Windschatten eines Hügels lag und von einem Kieferngehölz umringt war.
    »Schwer zu verteidigen«, brummte Kell.
    »Wir müssen uns aber erholen«, erklärte Saark. Er hatte seinen Umhang fest um sich gezogen, und seine Augen wirkten müde. »Du bist vielleicht so stark wie ein Ochse, aber die Mädchen und ich … Wir müssen etwas essen und ein paar Stunden schlafen; auch die Pferde brechen bestimmt demnächst tot zusammen.«
    »Geh voran«, meinte Kell und folgte dem anderen Mann durch den knöcheltiefen Schnee.
    Saark öffnete eine knarrende Tür, und Schnee wehte in den Raum. Kell führte die Pferde derweil

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