Kells Legende: Roman (German Edition)
der Nacht über so schnell sie konnten, trieben ihre Pferde bis zur Erschöpfung an und erreichten die Große Nordstraße nördlich von Alt-Skulkra, einer verlassenen Geisterstadt, die etwa drei Meilen nördlich von der relativ modernen Stadt Skulkra lag, die man dort neu gegründet hatte.
Sie zügelten ihre Pferde auf einer niedrigen Anhöhe und blickten hinab auf die alte, überwucherte, von Frost überzogene Straße, die von der Großen Nordstraße abzweigte und zu fernen, verfallenen Türmen, eingestürzten Kuppeln, gesprengten Befestigungstürmen, zerstörten Gebäuden und eingerissenen Wällen führte. Auf der flachen Ebene vor Alt-Skulkra lagerte Leanoric mit zwei Divisionen, nachdem sie vom Valantrium-Moor aus nach Norden gezogen waren. Es waren fast zehntausend Männer, dazu ein paar Schwadronen Kavallerie, Pikeniere und Bogenschützen, die nördlich von der Infanterie postiert waren, um ihr Deckung zu geben, sollte ein überraschender Angriff erfolgen. Es war noch sehr früh am Morgen. Die Feuer waren bereits heruntergebrannt, aber im Lager waren bereits Aktivitäten zu erkennen.
»Vergiss nicht«, Myriam beugte sich über ihren Sattelknauf vor. »Irgendwelche Tricks oder heimliche Zeichen, und das Mädchen stirbt in zwei Wochen. Und zwar einen schrecklichen, schmerzhaften Tod.«
»Wie könnte ich das vergessen?«, erwiderte Kell und machte Anstalten, in Leanorics Lager zu reiten.
»Warte«, sagte Saark, und Kell drehte sich zu ihm um. Auf Saarks Gesicht lag ein schmerzlicher Ausdruck, ebenso in seinen Augen, und er lächelte Kell gequält an, bevor er den Blick auf das Lager richtete. »Ich kann nicht mitkommen«, sagte er.
»Warum zum Teufel nicht?«, fuhr Kell ihn an. »Es war schließlich deine eigene, verdammt blöde Idee, den König zu warnen!«
»Wenn ich in dieses Lager reite, bedeutet das für mich den Tod«, erwiderte Saark sanft.
»Was quatschst du da, Junge? Komm schon, wir müssen Leanoric warnen. Diese Mistkerle sind vielleicht nur ein paar Stunden hinter uns. Was ist, wenn sie jetzt die Armee angreifen, so wie sie ist, unvorbereitet und noch halb im Schlaf? Das würde ein Gemetzel, und danach würden sie wie eine Pest den Süden überziehen.«
»Wenn ich dort hinreite«, antwortete Saark ruhig, »lässt König Leanoric mich auf der Stelle hinrichten.«
»Warum zum Teufel sollte er das tun, Junge?«
Saark senkte den Blick, und als er den Kopf hob, standen ihm Tränen in den Augen. »Ich … ich habe ihn hintergangen. Ich habe sein Vertrauen missbraucht. Und er hat mich zum Tod verurteilt. Ich bin … ich bin geflüchtet. Ja. Ich stehe jetzt hier vor dir und schäme mich.«
»Und trotzdem bist du hierhergeritten, um ihn zu warnen?«, höhnte Styx. »Was bist du für ein blöder Narr, Saark? Wie ich sagte, ein hübsches Jüngelchen.«
»Wenn du nicht sofort dein stinkendes, ekelhaftes Maul hältst, ramme ich dir mein Schwert so tief in deinen Arsch, dass es dir aus dem Schädel herauskommt! Kapiert, Schwarzlippler ?«
Kell hob die Hand und starrte Myriam böse an, als trüge sie die Schuld an diesem Zwist. Dann wandte er sich wieder an Saark. »Was hast du gemacht, Junge?« Er redete leise, und sein Blick war verständnisvoll.
Saark holte tief Luft. »Ich war Leanorics Schwertchampion. Und er hatte mich mit der Aufgabe betraut, seine Königin zu bewachen, Alloria. Wir … Ich habe mich in sie verliebt. Und dann haben wir beide eine große Sünde begangen, denn wir haben den großen König Leanoric betrogen.« Er verstummte, unfähig, Kell in die Augen zu blicken. Schließlich brachte er es doch über sich, den Kopf zu heben. Und erwiderte Kells Blick. »Seitdem bin ich auf der Flucht. Ich habe wie ein Feigling gehandelt, das weiß ich. Aber als die Eiserne Armee Jalder einnahm, wusste ich auch, dass ich hierherkommen musste, selbst wenn es meinen Tod bedeutete. Ich musste wenigstens versuchen zu helfen, obwohl sie mich hinrichten würden, als einen gemeinen Verbrecher, einen … Vergewaltiger, einen Mörder. Und jetzt … bringe ich es nicht fertig. Obwohl ich es tun sollte.«
Kell trieb sein Pferd ein paar Schritte vor und klopfte Saark dann auf den Rücken. »Mach dir keine Sorgen, Junge. Bleib einfach hier. Ich reite dort hinunter und rede mit dem König. Ich kenne ihn schon … seit langer Zeit. Ich werde ihn darüber informieren, was in seinem Reich passiert.«
Saark nickte, und Kell winkte Nienna zu sich. »Komm mit mir, Mädchen. Es ist sehr wichtig, den Adel
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