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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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Pflastersteine, schlug einen Haken nach dem anderen, duckte sich in schmale Lücken zwischen Karren und Buden und Kutschen, vorbei an Kisten; rannte plötzlich nach links, rammte mit der Schulter eine Tür, die aufflog, lief durch ein verlassenes Haus, vorbei an Pfannen, die immer noch auf dem Herd brutzelten, eine schmale Treppe hinauf, die zum Dach führte …
    Er hielt inne und lauschte.
    Nichts.
    Voller Panik betrachtete er die Treppe unter sich, trat dann ans Fenster und starrte auf die Straße hinaus. Hatte er die Kreatur abgehängt? Er versuchte seinen Atem unter Kontrolle zu bringen, kletterte aus dem Fenster, griff hinauf an den Giebel, mit eisigen Fingern, während der Eisrauch um seine Stiefel wirbelte. Er grunzte und zog sich auf die glatten Schieferziegel hinauf. Vorsichtig kletterte Saark zum First hoch und ging dann rasch, ohne lange zu warten, über den First zum Ende des Hauses und blickte in eine schmale Gasse hinab, wo er dunkle Pflastersteine unter dem Eis sah. Es war unheimlich, gewiss, aber nicht so unheimlich wie diese Kreatur, die ihn verfolgte; dieses Monster, das Leben, Blut und andere Flüssigkeiten aus den Leichen sog, diese Bestie, die die Seelen der Menschen trank. Saark erschauerte.
    Was zum Teufel hat diese Welt nur heimgesucht?, dachte er. Welches Gesetz habe ich gebrochen, dass ich so verflucht bin?
    Saark sprang von Haus zu Haus, von Dach zu Dach, rutschte aus, wäre mehrmals beinahe abgestürzt und auf die Pflastersteine oder die Buden gefallen. Er lief durch den wabernden Nebel, der Geist der Dächer, ein mitternächtlicher Vagabund; nur war er diesmal nicht einfach nur unterwegs, um zu stehlen.
    Diesmal rannte Saark um sein Leben. Und um seine Seele.
    »Wartet.«
    Kells leiser Befehl war sehr gut zu verstehen, obwohl er die Worte nur geflüstert hatte. Nienna und Kat blieben sofort wie angewurzelt stehen. Für die beiden jungen Frauen war das hier eine Gratwanderung; sie gingen über hauchdünnes Eis, während sie die Spannung der belagerten und zerstörten Stadt in sich einsogen. Immer wieder kamen sie an Leichen vorbei, geschrumpelten Hüllen, manchmal sogar Haufen von Kadavern, Männern, Frauen und Kindern, allesamt verstümmelt, die sich aneinanderschmiegten, als suchten sie Wärme; in Wirklichkeit hatten sie nur überleben wollen.
    Kell ließ die Hand sinken, drehte sich halb um und bedeutete den Mädchen, ihm zu folgen. Sie huschten über die gepflasterte Straße, während sie mit ihren behandschuhten Händen Tücher über die frierende Haut ihrer Gesichter hielten. Die Mädchen trugen zwar ihre Schwerter an den Hüften, aber diese waren wohl eher Glücksbringer denn Waffen, die sie auch wirkungsvoll benutzen konnten. Beiden war klar, dass ihr Leben bei einem echten Kampf an einem seidenen Faden hing. Und dieser Faden hieß Kell.
    »Seht dort«, zischte er und deutete zum Selenau, der wie schwarze Tinte zwischen den wabernden Schwaden aus Eisrauch zu sehen war. »Der Feind hat da offenbar einen Stützpunkt errichtet; jetzt ist es so gut wie unmöglich, ein Boot zu stehlen.«
    Nienna beobachtete die Albino-Soldaten, die zu Hunderten zum Wasser hinabströmten. Viele zerrten Gefangene hinter sich her, von denen etliche um sich traten und kreischten. Sie wurden in riesige, eiserne Käfige gesperrt, die man am Ufer des schlammigen, breiten Flusses errichtet hatte. Viele trugen aber auch Leichen, die in großen Haufen gestapelt wurden, als würden sie … Nienna runzelte die Stirn. Als würden sie auf etwas warten .
    Sie suchte mit ihrem Blick den Horizont ab. Manchmal teilte sich der Eisrauch, dann konnte sie ein Stück vom Fluss sehen. Riesige Fabriken aus schwarzen und roten Ziegeln säumten das Ufer. Es waren hauptsächlich Färbereien, Schlachthöfe und Gerbereien; irgendwo dort hätte sie eigentlich arbeiten sollen und wäre jetzt auch zweifellos da – wenn nicht ihr »namenloser Gönner« aufgetaucht wäre und die Gebühren für die Universität bezahlt hätte. Gewaltige eiserne Kräne säumten den Fluss, luden und entluden Fracht. Aus großen Rohren strömten Abwässer von den Fabriken, den Gerbereien und Färbereien, sowie Blut und Innereien von den Schlachthöfen. Selbst im Winter stank es hier bestialisch; im Sommer jedoch säumte auch noch Erbrochenes den Fluss, Hinterlassenschaften ahnungsloser Reisender.
    Kat trat vor und hockte sich neben Kell. Sie sah ihm in die Augen, und der alte Krieger bewunderte unwillkürlich ihren Mut. »Gibt es nicht auch einen anderen

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