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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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ihre Flanken, suchte nach Rissen in der Haut, nach Verletzungen der Muskeln und Sehnen in ihrem Körper. Nachdem Anukis diese Inspektion zu ihrer Zufriedenheit erledigt hatte, ging sie in ihrer Zelle herum, fuhr mit den Händen über die Wände und blieb gelegentlich an seltsam geformten Schlitzen und Sockeln stehen: Halterungen für die mobilen Folterinstrumente der Ingenieure und Kardinäle. Sie hatte von solchen Dingen gehört, war aber bisher noch nie Zeugin einer solchen Folterung gewesen. Es überlief sie kalt, als ihr bewusst wurde, in was für einer Lage sie sich befand. Und gleichzeitig wurde ihr vollkommen klar, dass die Gelegenheit, an einer Folterung teilzunehmen, möglicherweise schneller kommen würde, als ihr lieb war – nämlich ihre eigene.
    Schließlich trat Anukis an die Zellentür, um auch sie zu untersuchen: Messing, dick und sehr, sehr schwer. Eine massive Metallplatte mit einer quadratischen Öffnung von einer Elle Kantenlänge, durch welche man die Gefangenen mit Nahrung und Getränken versorgen konnte. Ihre Finger strichen über den Spalt zwischen der Tür und der Metallwand. Er war winzig, die Tür war außerordentlich präzise gearbeitet, wie es einer Religion und Kultur von Ingenieuren und Metallhandwerkern anstand.
    Während sie so dastand, hörte sie, wie der Schließmechanismus surrte und klickte, und trat hastig einen Schritt zurück. Die Tür schwang lautlos nach innen auf, und eine Gestalt erschien in der Öffnung: die athletische Figur von Vashell. Da sich die Lichtquelle hinter ihm befand, blieben seine Gesichtszüge im Schatten.
    »Bist du gekommen, um zu prahlen, Mistkerl?«
    Seine Faust zuckte vor und traf Anukis mitten ins Gesicht. Sie fiel zu Boden. Dann trat er zu; sein Stiefel landete ebenfalls in ihrem Gesicht, er stampfte auf ihre Brust, und dann trat er die blutend, hilflos und wie betäubt am Boden Liegende noch gegen den Kopf.
    Anschließend zog Vashell seine Handschuhe aus, ging zu ihrer Pritsche, setzte sich hin, lehnte sich ein wenig zurück und verschränkte seine Hände um ein Knie. Er lächelte. Seine messingnen Reißzähne ragten ein Stück über seine Unterlippe hinaus, seine Augen waren dunkel, von Öl erfüllt und funkelten; zuerst mit Widerwillen, dann mit Belustigung über Anukis’ Schmerz.
    Keuchend lag sie da. Ihr drehte sich alles vor Augen. Sie brauchte einige Minuten, bis die Wirkung der Schläge nachließ. Schließlich setzte sie sich auf und hustete. Blut rann ihr übers Kinn, über ihre Brüste, sammelte sich in ihrem Schoß.
    »Vor zehn Jahren haben wir im Garten meines Vaters gespielt«, sagte er. »Wir sind durch das hohe Gras gelaufen, du hast gekichert, und dein Haar glänzte in der Wintersonne. Wir sind zum Fluss gegangen, haben uns dort hingesetzt und die Strömung beobachtet, die reißend war, weil der Fluss vom Schmelzwasser der Schwarzspitzen gespeist wurde. Ich habe dich damals im Arm gehalten, und du hast mir gesagt, dass du mich liebst und dass wir eines Tages zusammen sein würden.«
    »Nein.«
    »Doch.«
    »Deine Erinnerungen sind verdreht, Vashell. So ist es nicht gewesen.« Sie hustete und hielt sich die Brüste fest, während ihr noch mehr Blut übers Kinn lief. »Du hast mich verfolgt, und ich bin gestolpert. Dann habe ich dich gebeten, mich in Ruhe zu lassen!«
    »Lügnerin!« Er sprang auf, das Gesicht zu einer wütenden Vachine-Fratze verzerrt. In seinem Mund arbeitete die Mechanik.
    Anukis weinte, als sie zu ihm hochblickte. »Vashell«, sagte sie sanft. »Ich habe niemals gesagt, dass ich dich liebe, und ich habe dich auch niemals geliebt. Du hast nur das gesehen, was du sehen wolltest. Du stellst mir jetzt seit fast einem Jahrzehnt nach, und nie habe ich dir den geringsten Grund dafür gegeben, zu glauben, dass ich deine Liebe erwidere; ich war immer sehr vorsichtig, weil du ein Ingenieurpriester bist und ich genau wusste, dass es für mich tödlich enden könnte, dich zu verärgern.«
    Vashell schien in sich zusammenzusinken. Er setzte sich wieder hin und starrte sie an. Seine Miene war undurchdringlich. »Ich habe dich geliebt«, sagte er schlicht.
    »Du hast mich gefangen genommen, hast zugesehen, wie man mich zusammenschlägt, und hast mich selbst gerade eben wie einen Hund getreten. Wie kannst du also dasitzen und behaupten, dass du mich liebst?«
    »Du hast mich hintergangen!«, schnarrte er. Speichel flog von seinen Reißzähnen. »Du hast mich zum verdammten Gespött bei den Ingenieuren gemacht; du hast meine

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