Kells Legende: Roman (German Edition)
heruntergebrannt. Draußen heulte der Wind, und der Hagel prasselte gegen die Fensterscheiben wie eine Pfeilsalve. Kell erwachte. Ein Arm war kalt, gefühllos, und er fühlte sich benommen. Der Whisky war ihm nicht gut bekommen. Das tat er jedoch ohnehin nur selten.
Doch was hatte ihn geweckt?
Kell setzte sich hoch. Er hatte vor dem Kamin geschlafen. Er hörte Niennas regelmäßiges Schnarchen im Schlafzimmer. Saark lag ihm gegenüber und wälzte sich im Schlaf herum, wachte jedoch nicht auf. Kell stand auf, griff nach seiner Axt, hockte sich dann neben Saark und schüttelte ihn.
»Mmh?«
»Still. Ich habe etwas gehört.«
»Wahrscheinlich eine Ratte.«
»Hier gibt es keine Ratten. Ich habe nachgesehen.«
»Dann ist es wahrscheinlich ein Huhn.« Er schüttelte Kells Hand ab. »Lass mich weiterschlafen.«
»Vielleicht ist es aber auch ein Albino-Soldat, der dir mit seinem Dolch die Kehle durchschneiden will«, flüsterte Kell Saark ins Ohr.
Saark rollte sich herum, zog seine Stiefel an und zückte sein Rapier. »Du bist wirklich eine Bereicherung für jede Feier, Kell, weißt du das? Verdammter Mist! Gehen wir raus und sehen nach.«
»Weck die Mädchen auf.«
»Warum? Wenn die Nachtarbeit erledigt ist, sollte man Frauen am besten schlafen lassen, jedenfalls meiner Meinung nach.«
»Möglicherweise müssen wir sehr schnell aufbrechen.«
Wortlos ging Saark ins Schlafzimmer, weckte die Mädchen und sah ihnen ohne jeden Anflug von Verlegenheit zu, wie sie sich in der Dämmerung ankleideten. Er lehnte an der Tür und starrte auf ihre Brüste. Kell ging derweil zur Eingangstür und blieb stehen. Er blickte auf die Holzplanken, die im Wind klapperten; draußen prasselte Hagel wie Pfeilsalven auf die Welt herunter. Kell legte den Kopf schief. Er runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen. Im nächsten Moment bewegte er sich, wirbelte herum und warf sich zur Seite, so schnell er konnte, als die Tür, einschließlich ihrer zerfetzten Angeln und zerstörten Schlösser, mit einem lauten Krachen und Quietschen explodierte. Die ganze Tür flog durch den Raum und verfehlte Kell nur um wenige Zentimeter. Sie landete krachend an der gegenüberliegenden Wand, wo sie in tausend Stücke zersplitterte. Kell hob seine Axt, Saark wirbelte herum, mit angespanntem Gesicht und gezücktem Rapier. Im Eingang stand … der Canker, Zalherion. Die Bestie grollte, ein tiefes, metallisches Grollen, das vom Klicken zierlicher Messingräder untermalt wurde.
»Was zum Teufel …?«, zischte Saark.
Der Canker griff an. Mit seiner hünenhaften Gestalt riss er Steine aus dem Türrahmen, während Kell sich nach rechts abrollte; seine Axt zischte in einem Bogen durch die Luft und landete mit einem dumpfen Klatschen und in einer Blutfontäne in Fleisch. Saarks Rapier zerfetzte die Flanke der Kreatur und zog eine lange, blutrote Linie über die hervortretenden Muskeln. Die Kreatur brüllte auf, ihr Kopf ruckte hin und her, als sie herumwirbelte. Ihre massige Gestalt erfüllte den ganzen Raum, während sie herumstampfte und die Stühle zu Kleinholz verarbeitete. Saark wirbelte herum. »Raus, durch das Fenster! Rennt zum Boot, sofort, als würde euer Leben davon abhängen!«, zischte er Nienna und Kat zu.
Dann sprang er zurück, als der Canker auf ihn zugestürzt kam. Die große Klaue am Ende eines gebogenen, kaum noch menschlichen Arms schnappte nach ihm. Scharfe Krallen zogen drei flache, gezackte Furchen durch Saarks Kleidung, und der Schlag schleuderte ihn durch den ganzen Raum zurück, bis er kopfüber gegen die Wand krachte und in einem Durcheinander aus Armen und Beinen stöhnend auf dem Boden landete. Kells Axt Ilanna grub sich derweil in das Rückgrat der Kreatur; ihre Klingen fraßen sich tief in das Fleisch. Kell riss sie wieder heraus, während der Canker kreischte, sich aufbäumte, und mit dem Kopf die Decke rammte. Gips und etliche zerbrochene Balken stürzten herunter. Kell schlug erneut zu und riss seine Axt grimmig wieder heraus, machte dann einen Schritt zurück, um sein Gleichgewicht und einen festen Stand zu gewinnen, und schlug ein drittes Mal zu, als würde er Holz hacken. Die Klingen gruben sich erneut in Fleisch und durchtrennten Muskeln; etliche kleine Messingräder flogen aus dem Leib des Canker heraus und rollten klingelnd über den Steinboden.
Die Kreatur hatte sich umgedreht und stürzte sich jetzt auf Kell, riss ihr gewaltiges Maul auf, das mit knirschenden Zahnrädern gefüllt war und aus dem dicker, blutroter
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