Kells Legende: Roman (German Edition)
mich mein Alter zu nennen. So alt bin ich nicht.«
»Aha, also möchtest du keinen Schluck von diesem Whisky haben, der fünfzehn Jahre lang in Eichenfässern gelagert wurde?«
»Vielleicht einen Schluck«, räumte Kell ein. »Um mich gegen die Winterkälte zu stärken.« Er nahm den Flakon, trank einige tiefe Züge und reichte ihn dann genießerisch schmatzend Saark zurück. »Bei allen Göttern, ein feiner Tropfen.« Er betrachtete Saark skeptisch. »Muss ziemlich kostspielig gewesen sein.«
»Gestohlen von meinen eigenen, langen Fingern.«
»›Die Welt verachtet den Dieb, es sei denn, er nimmt mächtige Könige aus‹«, zitierte Kell einen alten Spruch und betrachtete Saark scharf. »Ich halte mich irgendwie an diese Einstellung, Jungchen.«
»Alles schön und gut, solange du Geld in deinem Beutel hast. Frag jene, die keines haben. Der Kaufmann, der dieses Getränk herausgerückt hat, braucht es nicht mehr; die Albino-Soldaten haben ihn und seine Frau getötet.«
»Und ich nehme an, du hast sie einfach nur … geschändet?«
Saark schnaubte vor Lachen und nahm noch einen Schluck. »Geschändet? Also wirklich, Kell, wir sind doch beide Männer von Welt. Du kannst zu mir von Mann zu Mann sprechen. Ja, ich habe mit ihr geschlafen. Und sie war eine verdammt leidenschaftliche Frau, das muss ich schon sagen. Ich habe selten so viel wilde Lust erlebt.«
Kells Blick wurde hart, und er ballte unwillkürlich die Fäuste. »Du hast verdammt wenig Respekt vor Frauen, mein Junge.«
Saark dachte kurz darüber nach. »Na ja, sie haben auch nur wenig Respekt vor mir. Und jetzt hör zu, Kell.« Er beugte sich vor, und das Licht des Feuers tanzte in seinen dunklen Augen. »Wir müssen überlegen, was wir als Nächstes tun wollen. Du weißt genau so gut wie ich, dass die Eiserne Armee nach Süden ziehen wird. Wir haben nur ein paar Tage Vorsprung; sie werden ihre Position sichern, ihre eigene Garnison in Jalder zurücklassen und über die Große Nordstraße weiterziehen. Bis dahin müssen wir von hier verschwunden sein; ihre Kundschafter werden ausschwärmen und uns ganz gewiss finden. Wir sind leicht auszumachen.« Er dachte nach. »Du jedenfalls bist nicht zu übersehen.«
Kell nickte, und als er antwortete, klang seine Stimme kühl. Es fiel ihm schwer, seine Abneigung gegen diesen Laffen zu verbergen. Kell war ein einfacher Mann, der seine Gefühle offen im Gesicht trug, und auf seinen Fäusten. Er sagte, was er dachte, und redete nicht drumherum. »Was hast du vor, Saark?«
»So ungern ich das auch sage, denn ich dürfte kaum sonderlich viel Profit daraus schlagen können, aber … wir sollten nach Süden reiten und König Leanoric warnen. Das wäre das Richtige.«
Kell nahm ein scharfes Brotmesser vom Tisch und spielte damit. Er wirkte unbehaglich. »Der König weiß doch bestimmt schon davon, oder? Immerhin wurde die Hauptstadt seiner nördlichen Provinz erobert und geplündert.«
»Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Falls die Eiserne Armee Leanoric überrascht … nun, dann können sie so unbehelligt durch Falanor marschieren, wie ein Messer durch den Augapfel eines Schlafenden gleitet. Unsere Armeen würden überrannt, Menschen würden versklavt werden. Na ja, eben all dieses ermüdende Gewese eines Imperiums. Könntest du das mit deinem Gewissen vereinbaren, Kell?«
»Du hast es gerade nötig, von Gewissen zu reden.«
»Du meinst, ich sollte Mitleid mit einem gehörnten Ehemann haben? Nein. Aber was das Massaker an einem ganzen Volk angeht? Benutz deinen Kopf, Kell. Und überhaupt … Möglicherweise gibt es ja ein warmes Plätzchen in der Halle der Helden für jemanden, der etwas Heldenhaftes getan hat.« Er zwinkerte. »Man sollte immer versuchen, die Götter zu erfreuen. Nur für alle Fälle.«
»Du bist ein Wurm, Saark.«
»Das mag sein. Aber man kann nicht wählerisch sein, wenn man alle Hilfe braucht, die man bekommen kann. Wir müssen Leanoric warnen. Er muss die Adlerdivisionen sammeln; wenn er überrascht wird, könnte er eine vernichtende Niederlage erleiden. Und was würde das für das Leben eines Dandys bedeuten?«
Kell nickte und sah Saark an. »Du stammst aus dem Süden, hab ich recht, Junge?«
»Ja. Es ist nicht so einfach, diesen iopianischen Dialekt abzuschütteln.«
»Hast du den König schon einmal getroffen?«
»Einmal«, erwiderte Saark. Seine Stimme wurde weicher und sein Blick träumerisch. »Und zwar vor vielen, vielen Monden, mein Alter .«
Das Feuer war
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