Kells Legende: Roman (German Edition)
Eiter sabberte. Sie heulte, griff ihn in dem engen Raum an, und Kell taumelte zurück, drehte sich, um den gewaltigen Krallen am Ende dieses unmenschlichen Armes auszuweichen. Er riss die Axt hoch, um einen zweiten Hieb abzuwehren, duckte sich unter einem weiteren Schlag hindurch, der daraufhin den Kamin hinter ihm traf. Die Steine zerbarsten unter der Wucht des Aufpralls.
Dann blickte Kell dem Canker tief in die Augen. Die Wut, die er dort sah, war unbeschreiblich … ebenso wie der Schmerz, das Leiden, die Qualen, der Hass. Kell schluckte schwer, als das Geschöpf seine Schultern anspannte, und ihm wurde klar, dass ihn die Kreatur jetzt an der steinernen Wand der Kate zerquetschen würde, mit dem riesigen Körper und dem unglaublichen Gewicht … und er hatte nicht genug Platz, um Ilanna gegen dieses Monster zu schwingen! Er konnte nicht das Geringste dagegen unternehmen.
5
DIE KIRCHE DER GEWEIHTEN INGENIEURE
Nach und nach wachte Anukis auf, mühsam, wie aus einem langen, schlechten Traum. Sie schmeckte Blut; zwei ihrer Zähne waren zerschmettert. Vorsichtig griff sie sich in den Mund und zupfte die winzigen Knochenstücke heraus. Sie zuckte zusammen, hätte am liebsten geweint, unterdrückte jedoch den stechenden Schmerz und ignorierte auch das Brennen. Es gab größere Probleme, mit denen sie sich auseinandersetzen musste.
Anukis hustete, richtete sich auf und öffnete dann die Augen. Sie war nackt, mit eisernen Schellen an den Handgelenken gefesselt. Der Raum, in dem sie sich befand, war nur spärlich erleuchtet, aber ihre hervorragenden Vachine-Augen stellten sich mit einem leisen Surren des Räderwerks mühelos auf die dunkle Umgebung ein. Sie befand sich in einer Zelle. Einer sauberen Zelle; genauer gesagt, einer Zelle, die vollständig aus Metall bestand.
Sie sah sich um. Der Boden bestand aus Stahl, der aufgeraut war, damit man einen besseren Halt hatte; zudem war er von schmalen Rinnen durchzogen, durch die zweifellos mit Wasser das Blut der Gefolterten weggespült wurde. Die Wände bestanden aus schwarzem Eisen, das an einigen Stellen bereits angerostet war, die Decke aus Messing. Darin waren kleine Vierecke ausgespart, die das schwache Tageslicht hereinließen.
Anukis stand auf und untersuchte ihren Körper, versuchte herauszufinden, wie schwer sie verletzt war. Die Vachine hatten sie geschlagen; o ja, sie hatten ihren Lieblingssport wahrlich genossen, die Unreine mit Fäusten und Tritten ihrer schweren Stiefel misshandelt, aber nicht mit ihren Zähnen … das nicht. Vashell hatte ihnen offenbar nicht erlaubt, sie mit Reißzähnen und Klauen zu zerfetzen.
Jedenfalls noch nicht.
Anukis hatte die Prügel hingenommen; die Folter hatte vielleicht eine Stunde gedauert. Ihr wurde klar, dass man sie noch geschlagen und misshandelt haben musste, lange nachdem sie bereits das Bewusstsein verloren hatte. Langsam, behutsam, untersuchte sie ihre Knochen, suchte nach Brüchen; ihr linkes Schulterblatt war angerissen, und sie zuckte zusammen, als sie die Schulter bewegte. Sie ignorierte jedoch die geschwollenen und protestierenden Muskeln, die blauen Flecken, und suchte tiefer, analysierte den Schmerz im Inneren. Ein Finger ihrer linken Hand war gebrochen; ironischerweise der Ringfinger, an dem gewöhnlich der Ehering saß. Ich nehme an, dachte sie, dass Vashell mich nicht mehr um meine Hand bitten wird. Ein hysterisches Kichern regte sich in ihrer Brust, aber sie unterdrückte es energisch. Nein. Nicht hier. Du kannst es dir nicht leisten, hier deinen Verstand zu verlieren. Denn wenn du den Verstand verlierst, bedeutet das gleichzeitig deinen …
Tod!
Was für ein schlichtes Wort. Ein müheloses Konzept. Es war die natürliche Ordnung der Dinge: Leben und Sterben. Nur die Vachine waren anders, denn sie hatten mit ihrer Kreuzung aus Leben und mechanischer Uhrwerktechnologie einen dritten Zustand eingeführt … Es handelte sich um eine Technologie, die ihr Großvater erschaffen hatte und die von ihrem Vater Kradek-ka verfeinert und verbessert worden war. Es war ein Zustand, der teilweise nichts mehr mit Leben zu tun hatte; aber es war auch nicht der Tod, nein, jedenfalls nicht ganz. Aber dieser Zustand war nur einen winzigen Schritt von der langen, dunklen Reise entfernt.
Anukis stellte fest, dass zwei Rippen gebrochen waren, und sie biss sich auf die Zunge vor Schmerz, als sie ihr Gewicht verlagerte. Sie fuhr mit den Händen über ihren nackten, fahlen Körper, über Beine, Hüften und Bauch, streichelte
Weitere Kostenlose Bücher