Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
Vom Netzwerk:
Ingenieure starrten die beiden skeptisch an und begannen dann zu zischen. Der Lärm erfüllte die Kuppelkammer, als Reißzähne aus Stahl und Messing aus den Kiefernscheiden glitten, und sie starrten die Unreine boshaft an, denn noch hatte sie nicht genug gesühnt. Sie war eine hochrangige Unreine, die einen Ingenieurpriester beschämt hatte. Die Sache war mit ihrer Fesselung keineswegs erledigt.
    In diesem Augenblick, als Anukis dort stand, nackt und in Ketten, vor den Ingenieuren, begriff sie das ganze Ausmaß ihrer Sklaverei. Sie versank fast in Verzweiflung. Dies hier würde kein einfacher Fall von Folter und Exekution werden. Nein. Hier standen nicht nur Vashells Stolz und die Ehre der Vachine vor Gericht. Die ganze Kultur der Ingenieure fühlte sich betrogen, missbraucht, geschändet, und Anukis wurde von einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit durchflutet, als sie begriff, dass man sie so lange wie möglich am Leben lassen würde … und gleichzeitig dafür sorgen würde, dass sie Demütigungen erlebte, Erniedrigungen und Schmerzen, mehr und größere Qualen, als irgendein Unreiner jemals hatte erdulden müssen.
    Anukis erschauerte, und eine Gänsehaut lief ihr über den ganzen Körper. Vashell zog sie an sich, vor seinen Ingenieurbrüdern, seine Reißzähne wurden länger, und plötzlich senkte sich eine erwartungsvolle, atemlose Stille über die Kammer. Vashell senkte den Kopf, seine Reißzähne bohrten sich in Anukis’ Hals, in ihre Arterie, und er sog ihr das Blut aus, hob sie mit seinen mächtigen Armen hoch wie eine Puppe, als er aus ihr trank, ihre Unreinheit in sich aufsaugte. Anukis, nackt in Vashells perverser Umarmung liegend, wurde schlaff, ihr schwindelte, bis sie schließlich in der willkommenen Dunkelheit einer Ohnmacht versank.
    Der Rhythmus tanzte durch sie hindurch. Er pumpte durch jedes Blutgefäß, durch jede Ader, jede Arterie, bis in ihr Herz. Er pulsierte wie ein Echo ihres eigenen Herzschlags, wie der Doppelgänger ihres Herzschlags, der durch ihre Blutkörperchen jagte und durch die wie ein Regenbogen schillernde, dicke Mischung aus Blutöl und fremdem Blut. Verwirrung machte sich in ihrem Verstand breit, so als würde eine Spinne ein Netz über einer Glasscheibe weben. Als sie aufwachte, hatte sie einen pelzigen Geschmack im Mund, ihre Augen waren blutverklebt, und in ihren Ohren schien ein Ozean zu rauschen, dessen Wogen an einen Knochenstrand der Verzweiflung schlugen. Sie hustete und würgte, spuckte und zwang sich, ihre Augen trotz des Blutes, das darauf klebte, zu öffnen. Ihr Blick fiel auf seidene Laken.
    Anukis hustete erneut, und blutiger Schleim spritzte auf die schöne weiße Seide. Sie stöhnte, als sie die Schmerzen an jeder Stelle ihres Körpers fühlte, starrte geradeaus, auf die Steinwand, die von Adern von Silberquarz durchzogen war, und voller Schrecken begriff sie, dass sie jetzt in dem Berg war …
    Sie rollte sich herum, setzte sich auf, und ihre goldenen Locken fielen ihr über den Rücken. Offenbar war sie gewaschen worden, man hatte ihr Haar gewaschen, Blut und Schmutz entfernt. Sie trug ein leichtes Gewand aus Baumwolle, das allerdings das Gefühl von Verletzlichkeit kaum zu vertreiben vermochte. Unwillkürlich hob sie die Hand, berührte ihren Hals, strich mit den Fingern behutsam über die Male, die die beiden Reißzähne von Vashell hinterlassen hatten.
    Er hat mich gebissen, dachte sie und kniff die Augen zusammen.
    Es war ein Zeichen abgrundtiefer Verachtung, wenn ein Vachine so etwas bei einem anderen tat.
    Die ultimative Vergewaltigung. Eine absichtliche und direkte Beleidigung, vom überlegenen Blut gegenüber dem unreinen Blut. Kein Vachine biss einen anderen. So etwas tat man einfach nicht.
    Die Wintersonne fiel durch die langen, niedrigen Fenster am Ende des Raumes, und Anukis schob ihre Füße über den Rand des Bettes. Sie fühlte sich mitgenommen, wund, zerschlagen, geprügelt und schwach. Im selben Moment überkam sie Verachtung für sich selbst, und sie spie auf den eleganten, dicken roten Teppich. »Dieser Mistkerl.«
    Dann stand sie auf, zitternd, zerbrechlich, und stolperte zu einem marmornen Waschtisch, auf dem ein Messingkrug stand. Sie goss ein bisschen Wasser in einen Becher und trank. Ihr wurde schlecht.
    Durch das Fenster vor ihr konnte sie das Silvatal sehen. Es war wundervoll, heiter, ein Pastellgemälde von einer vollkommenen Zivilisation. Riesig und fein gearbeitet, eine Kultur auf ihrem Höhepunkt. Wo bin ich?, dachte sie, und die

Weitere Kostenlose Bücher