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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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Antwort fiel ihr im selben Moment ein. Dies hier war eine Bergvilla und gehörte ganz offensichtlich Vashells Eltern. Sie waren reich. Sie waren Ingenieure. Sie gehörten zur Königsfamilie.
    Die Bergvillen waren auf dem Höhepunkt der Macht dieser aufstrebenden Stadt errichtet worden, ganz oben, am Ende des Tales, in bester Lage und pompöser Architektur. Der Berg selbst war ihr Fundament. Diese Villen überblickten die ganze Welt der Vachine und boten die grandiosesten Ausblicke, die man in Silvatal für Geld kaufen konnte.
    Anukis stand eine Weile da und genoss den Ausblick. Es war Morgen, und die Welt der Vachine erwachte allmählich zum Leben. Sie sah Tausende von Vachine auf den Straßen unter sich, die Waren kauften, verkauften oder transportierten. Wenn sie sich auf die Fußspitzen stellte, konnte sie sogar den gewaltigen Ingenieurspalast zur Linken sehen und einen geschwungenen Fußweg, der zu einer dunklen Öffnung darin führte. Ein unerschöpflicher Strom von Vachine drängte sich über diesen Pfad, und viele trugen Bündel in den Armen. Darin waren Erfindungen oder aber zerbrochene Mechanismen, die repariert werden sollten. Einige kamen mit Bitten zu den Ingenieuren. Andere kamen mit Informationen.
    Mit den Händen strich Anukis über die Seiten ihres Hemdes und dachte an Shabis, ihre jüngere Schwester. Shabis war eine echte Vachine, kein unreines Blut rann durch ihre Adern oder fettete ihre Zahnräder und Rädchen. Anukis wusste, dass selbst ihre eigene Schwester nichts von ihrer, Anukis’, unreinen Natur ahnte. Nur Kradek-ka hatte ihr Geheimnis gekannt, und sie beide hatten es nach Kräften gewahrt. Denn sollte es sich herumsprechen, würde sie mit ihrem Leben dafür bezahlen, davon waren sie überzeugt.
    Anukis lächelte, und es fühlte sich an, als wäre es das erste Mal seit einem Jahrhundert. Sie dachte an Shabis, an die junge Shabis, die erst sechzehn Jahre alt war, lange, wunderschöne blonde Locken hatte, größer war als Anukis, schlanker. Ihre Glieder waren zierlich und königlich. Sie hatte dunkle Augen, ein etwas schmaleres Gesicht, kurz, sie war eine hinreißende Vachine-Göttin!
    Das Lächeln verschwand aus Anukis’ Gesicht. Falls Shabis überhaupt noch lebte …
    Ein leises Klicken war zu hören. Vashell stand hinter ihr. Er trug eine Rüstung, wie für die Schlacht, und eine beeindruckende Auswahl an Waffen. Seine Stiefel waren poliert, er hielt den Kopf stolz erhoben, und weder seine Miene noch seine Augen verrieten etwas von seinen Gedanken. Dann lächelte er, trat vor und stellte sich neben Anukis, um ebenfalls Silvatal und die Juwelen des Imperiums der Vachine zu betrachten.
    »Ich kann nicht glauben, dass es so weit kommen konnte«, sagte Vashell. Seine Stimme klang aufrichtig verletzt.
    »Geh weg und stirb einsam«, flüsterte Anukis.
    Vashell drehte sich zu ihr um und nahm ihre Hände in seine. Er hielt sie sanft fest, aber Anukis machte sich keine Illusionen. Sie wusste sehr gut, wie brutal er sein konnte. Seine Sanftheit war nur aufgesetzt, seine Bescheidenheit bloße Fassade.
    »Hättest du mich vor drei Monaten nach unserer Zukunft gefragt, hätte ich so sicher geantwortet, so nachdrücklich, dass wir heiraten und ein königliches Leben führen würden. Wir waren ein perfektes Paar, Anukis.«
    »Du hast mich missbraucht!«, zischte sie und sah ihn endlich an. Ihre Augen blitzten düster. »Vor den Ingenieuren und Priestern! Du hast mein Blut getrunken, du hast mich gedemütigt, du hast mich geschlagen. Du bist ein Canker, Vashell; vielleicht nicht äußerlich, nicht, was deine Gestalt angeht, aber tief in deinem Herzen ist dein Uhrwerk deformiert und pervertiert und hat jede Spur von Menschlichkeit in dir vernichtet.«
    Vashell stand regungslos da, wie betäubt von dieser Beleidigung. Einen Vachine einen Canker zu nennen war schlichtweg … undenkbar.
    Er holte tief Luft, und Anukis sah, wie er seine Wut beherrschte, seinen Zorn.
    »Ich kann das wiedergutmachen«, behauptete er.
    »Das ist vollkommen unmöglich.«
    »Ich liebe dich noch immer.«
    Anukis drehte sich um und blickte wie zuvor über das Silvatal. Vashell hielt immer noch ihre Hände, und sie spürte, wie sein Griff fester wurde. Er ließ nicht locker und weigerte sich, ihr auch nur das kleinste bisschen Freiheit zu gewähren.
    »Die einzige Person, die du liebst, bist du selbst«, erklärte Anukis.
    »Hör mir zu.« Seine Stimme klang drängend. »Du wurdest auf frischer Tat mit einem König der Schwarzlippler

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