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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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vorgefallen. Jedenfalls landeten wir verloren im Schwarzspitz-Massiv und mussten uns allein nachhause durchschlagen. Es war ein langer, tückischer Marsch über vereiste Bergpfade, kaum breiter als die Taille eines Mannes. Nur drei von uns haben diese Reise überlebt.«
    »Drei von wie vielen?«
    Kells Augen glänzten in der Dunkelheit. »Bei unserem Aufbruch waren wir eine volle Kompanie.«
    »Bei allen Göttern! Hundert Mann? Was habt ihr denn da draußen gegessen?«
    »Das willst du ganz bestimmt nicht wissen.«
    »Glaub mir, das will ich wohl.«
    »Du bist wie ein übereifriger Welpe und steckst deine Nase in alles hinein. Eines Tages wirst du sie in etwas Ätzendes stecken und ohne sie weiterleben müssen.«
    »Ich will es trotzdem wissen. Der Nutzen einer Nase wird meiner Meinung nach ohnehin maßlos überschätzt.«
    Kell lachte. »Ich glaube, du bist ein bisschen verrückt, mein Freund.«
    »Sind wir das in dieser Welt nicht alle?«
    Kell zuckte mit den Schultern.
    »Also, spuck es schon aus! Die Neugier bringt mich sonst noch um.«
    »Wir haben uns gegenseitig gefressen«, erwiderte Kell schlicht.
    Saark ritt eine Weile schweigend neben ihm her, während er diese Information verdaute. »Welchen Teil?«, fragte er schließlich.
    »Welchen Teil wovon?«
    »Welchen Teil hast du gegessen?«
    Kell starrte Saark an. Der Dieb und Dandy beugte sich über den Sattelknauf des gestohlenen Pferdes, begierig auf diese Auskunft wartend, scharf auf die Geschichte. »Warum willst du das denn wissen? Willst du die Saga von Kell um ein paar weitere Verse verlängern?«
    »Vielleicht. Nun red schon, es interessiert mich.« Er seufzte. »Und in dieser kurzen, brutalen, sexuell vollkommen frustrierenden Phase meiner Existenz sind deine Geschichten wahrscheinlich das Beste, was ich bekommen kann.«
    »Sehr schmeichelhaft. Also gut, wir haben mit dem Hintern eines Mannes angefangen und dem Rumpf, also dort, wo das meiste Fleisch sitzt. Dann kamen die Schenkel, die Waden, die Oberarme. Wir haben das Fleisch abgeschnitten und gekocht, wenn wir ein Feuer hatten; hatten wir keines, haben wir es roh gegessen.«
    »War das nicht vollkommen … ekelhaft?«
    »Allerdings.«
    »Ich glaube, ich würde lieber verhungern.« Saark lehnte sich zufrieden in seinem Sattel zurück, als hätte er jetzt sämtliche Informationen bekommen, die er wollte.
    »Du bist noch nie in einer solchen Situation gewesen«, stieß Kell leise hervor. »Du hast keine Ahnung, wie es ist, wenn man stirbt, vom eisigen Wind gebeutelt wird, wenn Männer von einem schmalen Felsgrat abrutschen und schreiend in den Tod stürzen; oder, schlimmer noch, Hunderte von Metern in einen Abgrund fallen, sich die Beine und das Rückgrat brechen und dann stundenlang um Hilfe rufen. Sie schreien deinen Namen, ihre Stimmen folgen dir über die Pässe. Zuerst betteln sie, dann werden sie wütend und verfluchen dich mit den schlimmsten Ausdrücken, bedrohen dich und deine Familie. Und allmählich, über eine Zeitspanne von Stunden, in denen ihre Worte wie Rauchfahnen hinter dir herwehen, durch lange, lange Täler, werden sie leiser, schwächer, setzt die Kälte ihnen zu. Das ist eine schreckliche Art und Weise zu sterben.«
    »Gibt es denn eine gute?«
    »Es gibt jedenfalls bessere Arten, sein Leben zu beenden.«
    »Dem möchte ich widersprechen, mein Alter. Wenn du tot bist, bist du tot.«
    »Ich kannte einen Mann, man nannte ihn Wiesel. Er hat für König Leanoric gearbeitet, als Folterknecht. Ich habe mich irgendwann mal in einer Nacht mit ihm in einer Schänke im Süden betrunken, in der Hafenstadt Hagersberg, im Westen von Gollothrim. Er behauptete, er könne einen Mann etwa einen Monat lang am Leben erhalten, während er ihm die ausgesuchtesten Schmerzen zufügte. Er sagte, er könne dafür sorgen, dass ein Mann ihn anflehte, ihn zu töten, dass er wie ein Kleinkind weinen, fluchen, betteln und Versprechungen machen würde, wenn man ihn dafür nur mit dem Tod belohnte. Dieses Wiesel behauptete, dass er einen Mann brechen könnte … und zwar geistig. Er sagte, es wäre ein Spiel, ein Spiel zwischen Folterknecht und Opfer, ein bisschen so, wie wenn eine Katze mit einer Maus spielt, nur dass die Katze in diesem Fall die Informationen und Ergebnisse ihrer Beobachtungen und die Feinheiten der Psychologie dafür benutzte, um die beste Foltermethode herauszufinden. Das Wiesel behauptete, es könne jeden Mann in den Wahnsinn treiben.«
    »Ich nehme an, du mochtest ihn also nicht

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