Kells Legende: Roman (German Edition)
Jahre seit Allorias Untreue vergangen …
»Er … er hat sie gebissen«, erklärte Mary schließlich.
Leanoric starrte sie verständnislos an. »Was soll das heißen, er hat sie gebissen ?«
»Ich weiß, dass es … seltsam klingt. Aber plötzlich kamen Metallzähne aus seinem Mund, lange Metallzähne, und er hat Alloria in den Hals gebissen und ihr Blut getrunken.« Mary schloss verwirrt den Mund, als ihr klar wurde, dass sie wie eine Verrückte klingen musste. Trotzdem wagte sie es, Leanoric anzusehen. »Graal sagte, er habe Jalder eingenommen, er hätte auch Jangir erobert und würde jetzt gegen die Hauptstadt marschieren, Vohr. Er sagte, wenn Ihr Euch ihm in den Weg stellt, würde er Alloria töten.«
»Weißt du, wohin er sie gebracht hat?« Leanorics Stimme klang furchteinflößend leise.
»Ja. Sie wurde an einen Ort geschickt, den er Silvatal nannte. Er liegt irgendwo im Herzen des Schwarzspitz-Massivs. Graal erklärte, es wäre die Heimat der Eisernen Armee. Was werdet Ihr tun, Leanoric? Werdet Ihr Alloria retten? Werdet Ihr Euch gegen den Mann stellen, der Blut trinkt?«
Leanoric stand auf und kehrte Mary den Rücken zu. Seine Seele fühlte sich eiskalt an. Er öffnete die Zeltklappe, winkte den Arzt herein und trat dann selbst hinaus in die Dunkelheit. Immer noch hörte er leises Gelächter im Lager, aber in diesem Augenblick überkam Leanoric eine schreckliche Vorahnung. Schon bald würde es nur noch sehr wenig Gelegenheit zum Lachen geben.
»Was sagt sie?«, meinte Elias, während er sich seinem König näherte.
»Lass uns ein Stück gehen.«
Sie schritten durch das Lager, an den Ruinen von Alt-Valantrium vorbei und erklommen einen Hügel in der Nähe, auf dem man ein Leuchtfeuer entzündet hatte. Leanoric ging schnell, und nachdem sie die Kuppe des Hügels erreicht hatten, drehte er sich zu Elias herum. Sein Gesicht war schweißüberströmt, und seine Augen waren hart; er dachte über die Ereignisse nach, die sich um ihn herum förmlich zu überstürzen schienen. Dann konzentrierte er sich, ordnete seinen verwirrten Verstand; er wusste, was er zu tun hatte.
In Jangir lag eine Brigade in der Garnison, die aus eintausendsechshundert Mann bestand. Falls Mary recht hatte und die Stadt eingenommen worden war … und falls dieser Graal tatsächlich bis zum Herbstpalast vorgedrungen war und folglich Männer im Vorgeth-Forst hatte, konnte er jetzt bereits mit seiner Armee gegen Vorgeth marschieren, auf Fawkrin zu oder noch weiter östlich nach Skulkra und Alt-Skulkra … Leanorics Gedanken überschlugen sich.
Wieso hatte er das alles nicht gewusst?
Wieso war ihm nicht klar gewesen, dass sein Land angegriffen wurde? Dass es sogar bereits vom Feind verseucht worden war?
»Was werden wir jetzt unternehmen?«, erkundigte sich Elias.
Leanoric lächelte ihn grimmig an, aber es lag kein Funken Humor in diesem Lächeln. Er bückte sich und legte seine Beinschienen an. Als er antwortete, klang seine Stimme ebenso sonor und eindringlich wie die seines Vaters. »Alter Freund, wir ziehen in den Krieg.«
Sie standen auf dem Hügel, während sich der Himmel erst rot und dann schließlich purpurn färbte, und während er seine Welt betrachtete, sein Land, sein geliebtes Falanor, das unter einer Decke aus Dunkelheit zu sterben schien, skizzierte Leanoric seinem General und Freund seinen Plan.
»Diese Mistkerle sind aus dem Norden gekommen, haben Jalder eingenommen und Jangir. Also sind ihre Streitkräfte westlich der Großen Nordstraße massiert, irgendwo in der Nähe um Corleth Moor, vielleicht sogar um das nördliche Vorgeth. Das wäre auch logisch, denn diese verfluchte Gegend ist vollkommen öde und verwunschen. Die Leute meiden sie wegen der unheilvollen Geschichte über das Feld von Jangir. Es ist ein guter Ort, um eine Armee zu verstecken, jedenfalls denke ich das.«
»Und weiter?«
»Ich habe eine Brigade in Gollothrim stehen und eine Division hier in Valantrium. Wir können unser Bataillon von dem Schwarzspitzen-Steinbruch abziehen und haben dann noch eine weitere Brigade in der Nähe von Alt-Skulkra. Wenn wir diese Mistkerle umzingeln und ihnen in die Flanke fallen können und dafür sorgen, dass die Infanterie aus den Schwarzspitzen aus dem Norden herankommt … nun, dann können wir sie vernichten, Elias. Sie werden glauben, die ganze verfluchte Welt würde sich auf sie stürzen.«
»Aber zunächst mal brauchen wir mehr Informationen«, wandte Elias bedächtig ein. »Was die Größe der
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