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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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Reiter abzusteigen, und erst als er aus dem Sattel fiel, bemerkten sie erschreckt, dass es sich um eine Frau handelte. Sie trug ein zerrissenes, zerfetztes und blutbeflecktes Kleid. Kein Zweifel, das waren die Farben des Herbstpalastes, doch darunter schien sie nur Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit zu tragen.
    »Bei allen Göttern, es ist Mary, Allorias Kammerzofe!«
    Sie blickte hoch; sowohl Schmutz als auch Verzweiflung schienen in ihre Haut und in ihre Augen eingedrungen zu sein. Sie begrüßte den König, sank auf ein Knie, neigte den Kopf und weinte, ohne Tränen zu vergießen. Die Schrecken der letzten Stunden hatten sie vollkommen ausgetrocknet.
    »Mein König.« Ihre Worte klangen undeutlich, und sie zitterte am ganzen Körper. »Ich überbringe schlechte Nachrichten.«
    Leanoric sprang von seinem Pferd und wandte sich an den nächststehenden Soldaten. »Mann, hol sofort einen Arzt! Und du da«, er deutete auf einen anderen Soldaten, »bring ihr Wasser.« Dann trat er hastig vor und fing Mary auf, die mit einem Mal umzustürzen drohte. Plötzlich hielt er die hübsche junge Frau in den Armen, deren Gesicht schmutzig und deren Wimpern blutverkrustet waren.
    »Wer hat dir das angetan?«
    »Die Soldaten … Sie kamen plötzlich …« Sie schluchzte. »Oh, Sire, es war schrecklich, und Alloria …«
    Der Soldat kam mit Wasser zurück, und Leanoric unterdrückte seine Panik, obwohl der Blick von Marys Augen ihn stocken ließ und ihm wie ein Eiszapfen das Herz zu durchbohren schien. »Sprich weiter, Mary«, befahl er mit erstickter Stimme. »Was ist mit Alloria?«
    »Großer König, es hat einen … einen Angriff gegeben. Auf den Herbstpalast.«
    »Bei allen Göttern«, knurrte Elias.
    »Was ist mit Alloria?«, wiederholte Leanoric mit ruhiger Stimme. Eine seltsame Gelassenheit schien sich über sein Herz zu legen, über seine Seele. Er wusste, dass diese Neuigkeiten nicht gut sein konnten. Er wusste instinktiv, dass sein Leben sich für immer verändern würde.
    »Sie wurde entführt.« Mary wandte den Blick ab und starrte zu Boden.
    »Von wem?«
    »Er hatte weiße, blasse Haut. Und langes weißes Haar. Hellblaue Augen, mit denen er uns zu verspotten schien. Er sagte, er gehöre zur Eisernen Armee. Er behauptete, seine Leute hätten die Garnison in Jalder eingenommen. Und …«
    »Sprich weiter, Frau!« Leanorics Augen brannten vor Wut.
    »Er hat Alloria mitgenommen.«
    »Wie war sein Name?«, erkundigte sich Leanoric scheinbar ungerührt.
    »Graal. General Graal.«
    Leanoric sah Elias an, aber sein Vertrauter schüttelte nur den Kopf. Dann wandte er sich wieder zu Mary um, die am ganzen Körper zitterte. Sie sah mit einem schmerzerfüllten Blick zu ihm hoch, das Gesicht von Qual verzerrt, und schau te dann rasch zur Seite.
    »Es gibt noch mehr zu berichten?«, erkundigte sich Leanoric leise.
    »Ja, Herr, aber das ist nur für Eure Ohren bestimmt. Können wir in Euer Zelt gehen?«
    Leanoric stand auf, nahm Mary in seine Arme und trug sie rasch durch das Lager. Überall brannten Lagerfeuer, und er roch den Duft von Suppe und Eintopf. Die Männer lachten, scherzten miteinander und sprangen hoch, als er sich ihnen näherte. Doch er ignorierte sie alle.
    Elias schlug die Zeltklappe zur Seite, Leanoric trat ein und legte Mary auf ein niedriges Bett aus Fellen und Seide. Sie hustete, und Elias schloss die Zeltklappe wieder. Dann bot er der Frau einen zweiten Becher mit Wasser an, den sie dankbar annahm.
    »Können wir uns unter vier Augen unterhalten?«, fragte Mary dann.
    Leanoric nickte und sah Elias an. Der Schwertchampion verschwand wortlos. Jetzt waren sie allein, während draußen die Schatten länger wurden. Mary hob die Hand, legte sie auf Leanorics Schulter, und der Blick ihrer Augen wirkte seltsam, schien sich umgekehrt zu haben, von Untertan zu Monarch, von jung zu alt, von naiv zu weise.
    »Hat man ihr wehgetan?«, fuhr Leanoric sie an. »Sag es mir! Was hat man ihr angetan?«
    Mary öffnete den Mund, aber eine plötzliche Eingebung riet ihr, ihn wieder zu schließen. Was wäre, fragte sie sich, wenn Graals Schändung der Königin diese zu einer weit weniger wertvollen Person machte? Sie sah Leanoric in die Augen und spürte schreckliche Gewissensbisse wegen ihrer Gedanken, aber sie fragte sich trotzdem, ob der König Alloria vielleicht gar nicht mehr zurückhaben wollte, wenn sie ihm die Wahrheit erzählte, ihm von der brutalen Vergewaltigung durch General Graal berichtete. Immerhin waren erst wenige

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