Kells Rache: Roman (German Edition)
stand neben ihr, hatte Ilannas Schneide in den Rücken des Cankers gewuchtet und nur knapp das Rückgrat verfehlt. Dann stemmte Kell einen Stiefel auf den Rücken des Cankers und riss an seiner Axt, die sich unter einer Rippe festgeklemmt hatte.
»Nein, Kell, nein!«, jammerte Saark, aber Kell riss die Schmetterlingsklingen aus dem Leib des Cankers. Eine Fontäne aus Blut und Knochensplittern spritzte heraus, die etliche Sehnen mit sich riss, und der Canker wirbelte geduckt herum. Seine Klauen schlugen nach dem Axtkämpfer, um ihm die Eingeweide herauszureißen. Seine Krallen zischten nur um Haaresbreite an Kell vorbei. Dann hämmerte Aline ihre Faust gegen Saarks Brust. Er wurde hoch in die Luft gerissen und stürzte fast vertikal hinab, bis seine Beine auf dem Boden aufprallten, er weiterrollte und mit lautem Platschen im Öl landete. Verzweifelt versuchte er sich mit den Fingern an den Planken festzuhalten, kratzte darüber wie mit Klauen …
Kell griff erneut an. Seine Axt pfiff durch die Luft, und er und die verunstaltete Frau umkreisten sich, starrten sich an, schlugen zu, prallten in einem Wirbel aus Schlägen zusammen, die eine Spur aus Funken in der Dämmerung hinterließen. »Verschwinde!«, fauchte Kell Saark an. Er starrte zu dem Dandy zurück. »Mach, dass du hier wegkommst, Jungchen, sofort!«
»Töte sie nicht«, flüsterte Saark.
»Sie kann sich nicht mehr zurückverwandeln, begreifst du das nicht?«, fuhr Saark ihn an. Er riss die Axt hoch, und die Krallen des Cankers kratzten über die Klingen. Die Wucht des Schlages ließ ihn einen Moment taumeln, und er rammte die Spitze der Axt gegen die Augen des Cankers. Die Bestie schnarrte böse, schüttelte den Kopf, und ihr Speichel traf Kell. »Dieser Prozess funktioniert nur in einer Richtung! Man kann ihn nicht umkehren!«
Der Canker trieb Kell zurück. Seine Klauen hämmerten mit der Wucht von Pfeilrammen auf den Krieger ein, und Saark sah, dass Kell rasch schwächer wurde. In wenigen Momenten würde er tot sein, tot oder im Öl ertrinken. Mit fast übermenschlicher Mühe kratzten Saarks Finger über die groben Bretter, seine Beine traten das dicke, zähe Öl. Schließlich rollte er sich keuchend auf die Bohlen, rappelte sich auf die Füße und stand schwankend da. Er griff nach seinem Rapier, schob die Waffe jedoch in die Scheide. Kell sah die Bewegung, und sein Gesicht wurde grimmig, finster, und in seine Augen trat etwas Übermenschliches oder vielleicht auch Unmenschliches.
»Aline.« Saarks Stimme klang wie ein Wiegenlied. Ein Lied aus Nostalgie geboren.
Der Canker erstarrte mitten im Angriff, drehte sich jedoch nicht um. Seine Augen waren mit funkelndem Hass auf Kell gerichtet, der mit dem Rücken zum Öl stand und seine Axt auf die Holzbohlen gestellt hatte. Er atmete schwer. Seine Weste war von den Krallen in Fetzen gerissen worden. Darunter sah man blutige, ebenfalls zerfetzte Haut.
»Wirst du mir helfen?«, fragte der Canker mit der Stimme von Aline. Saark konnte sie jetzt hören, konnte ihren Ton erkennen, ihre Satzmelodie, welche die Artikulation dieser fremdartigen Bestie untermalte.
»Ja«, antwortete Saark unendlich traurig. »Ich werde dir helfen.« Er hakte seinen Stiefel hinter die Laterne und schleuderte sie mit einem schnellen Tritt über die Plattform. Sie krachte gegen den Canker, und die Flammen hüllten die Bestie ein. Sie kreischte, hoch und eindeutig weiblich, und wirbelte in einem engen Kreis herum, kämpfte mit ihren Klauen gegen das Feuer, schlug auf sich selbst ein, während ihr Fleisch verbrannte, das Fett Blasen schlug und das verbogene Uhrwerk quietschte. Kell sprintete los, den Kopf gesenkt, die Axt in beiden Händen, und sowohl er als auch Saark rannten über die sich biegenden Planken in die Dunkelheit, in Richtung des Ausgangs dieser uralten Fabrik …
Der Canker hockte sich hin, brennend, und blickte dann durch die Flammen auf die flüchtenden Männer. Er brüllte, verfolgte sie, während seine brennende Haut ihm den Weg erleuchtete. Büschel von glühendem Fell fielen von seinem brennenden Körper in das Öl. Der Canker lief weiter, und eine Weile passierte gar nichts, doch dann, ganz plötzlich, vollkommen unberechenbar entzündete es sich. Feuer fegte über die Oberfläche der Senkgruben, überholte den Canker, und die Flammen leckten sogar an den Hacken von Kell und Saark. Die beiden schwitzten, und in ihren Augen spiegelte sich der orangefarbene Schein von fauchenden Dämonen. Sie rannten so schnell
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