Kells Rache: Roman (German Edition)
Meinung nach eine Bedrohung darstellen könnten … was bedeutete, er mied alles, was lebte. Der Schmerz in seiner Brust war schlimmer geworden, und er musste häufig nach Luft ringen. »Nicht schön, gar nicht schön«, murmelte er und rieb seinen Chitinpanzer an der Stelle, als könnte er dadurch den Schmerz vertreiben.
Der Canker, den Jageraw in Le’annath Moorkelth gerettet hatte, war verschwunden, war in den Wald geflüchtet. Dieser Canker war merkwürdig gewesen, ja, dachte Jageraw und war einen Moment verbittert, weil ihm niemand Gesellschaft leisten mochte. Stank er? War es das? Stank er nach Fisch? Das Einzige, was Jageraw aus dieser verunstalteten Uhrwerk-Kreatur herausbekommen hatte, war sein Name: Elias. Dann war sie verschwunden, war durch den Wald gestampft, eine leichte Beute für die Armbrüste der Soldaten, ja ja. Er bedauerte jetzt, dass er diesen Elias nicht gefressen hatte. Es war zwar nervig, die Zahnräder wieder auszuspucken, aber Canker konnten ganz hervorragend schmecken.
Während er weiterging, dachte er an die Hexel.
Sie hatten ihn gerettet.
Sie hatten ihn geehrt.
Und jetzt wusste Jageraw, welche Aufgabe er hatte.
Leise vor sich hin murmelnd, stolperte er durch den Wald und den Schnee, blieb gelegentlich stehen, um irgendeinen ahnungslosen Reisenden oder einen Flüchtling zu erlegen, aber selbst das glatte Gefühl von rohen Nieren oder Leber auf seiner Zunge oder sogar eine saftige Lunge, welche Freude!, konnte den Schmerz in seiner Brust nicht lindern. Und je weiter nach Norden er ging, desto schärfer brannte der Schmerz.
Es war bereits später Nachmittag, und der Himmel wurde dunkel, als Kell einen steilen Hügel hinaufritt. Er hatte die Zügel in einer Hand und den Schaft seiner Streitaxt, die in ihrer Scheide am Sattel steckte, in der anderen. Auf dem Hügelkamm zügelte er sein Pferd. Saark stellte sich neben ihn. Stumm und nachdenklich. Mary, der Esel, schrie. Das Geschrei hallte laut durch die Luft, und Kell warf dem Tier einen finsteren Blick zu.
»Denk nicht einmal darüber nach«, meinte Saark.
»Was?«
»Sie ist unschätzbar wertvoll. Und Skanda liebt es, auf ihr zu reiten. Du wirst doch dem Jungen eine so schlichte Freude nicht nehmen wollen?«
Kell starrte Saark in die Augen, und er verstand nicht, was er dort sah. Kell war normalerweise ein guter Menschenkenner, aber Saark war ein wahres Mysterium für ihn. Der Dandy war komplex und unberechenbar. Kell wusste sehr genau, dass er weit schneller vorwärtskommen würde, wenn er Saark zurückließ. Und das war auch die Antwort, das begriff er plötzlich. Einzigartigkeit.
Schmerz peitschte durch seine Adern. Kell biss die Zähne zusammen und schwankte im Sattel. Die Welt vor seinen Augen verschwamm, ihm schwindelte, und er musste sich mit beiden Händen am Sattelknauf festhalten. Sein Gesicht war bleich, er hatte die Augen fest geschlossen und konzentrierte sich nur darauf zu atmen, während die Welt blutrot vor seinen geschlossenen Augen kreiste. Er hörte Saarks Stimme, aber sie war undeutlich, dehnte sich in einer Reihe von bedeutungslosen Klängen. Dann registrierte er plötzlich einen Geschmack, den Geschmack von Whisky, und er wusste, dass alles wieder gut werden würde, wenn er nur einen einzigen Schluck nehmen konnte. Der Schmerz würde wieder verschwinden, und es spielte keine Rolle, dass der Schnaps ihn gewalttätig machte. Schließlich befand er sich in einer gewalttätigen Welt auf einer gewalttätigen Mission, und der Whisky würde ihm helfen, sein Ziel zu erreichen. Der Schmerz pulsierte in Wellen durch seinen Körper, dann wurde einen Moment alles dunkel, und dann atmete er wieder, sog die kalte Luft in seine Lungen wie ein Ertrinkender, der noch einmal zur Oberfläche eines Sees aufsteigt.
Die Welt schlug Kell ins Gesicht, er keuchte, und Saark fragte ihn, ob es ihm gut ging. Kell holte mehrmals tief Luft, atmete übertrieben tief ein und sah dann Saark an. Er nickte. »Ist nur das Gift, Jungchen!«, stieß er heiser heraus. »Wenn es zuschlägt, dann beißt es wirklich übel.«
»Wir müssen ausruhen«, erklärte Saark. »Wir müssen einen warmen Platz finden, etwas Heißes essen und ausschlafen. Wir haben eine Menge Strapazen hinter uns.« Er zuckte zusammen und legte instinktiv die Hand auf seine Wunde. »Und wir stinken wie ein zehn Tage alter Kadaver.«
»Sprich gefälligst für dich selbst!«, blaffte Kell ihn an.
»Kell?« Das war Skanda. Die Augen des Jungen glitzerten. Sie waren stehen
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