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Kells Rache: Roman (German Edition)

Kells Rache: Roman (German Edition)

Titel: Kells Rache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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wirklich stimmte.
    Die Nacht rückte näher und mit ihr auch das Schwarzspitz-Massiv. Die Berge waren riesig und erhoben sich hinter der Kuppe eines Hügels, als sie auf ihren dampfenden Pferden den Gipfel erklommen. Nienna kaschierte ihr überraschtes Keuchen mit einem Hüsteln. Sie hatte die Schwarzspitzen zwar schon gesehen, aber noch nie aus solcher Nähe. Als sie jetzt wahrnahm, wie gewaltig, erstaunlich, wie ehrfurchteinflößend sie waren, als das bloße Gewicht ihrer beeindruckenden Majestät auf ihr lastete, lösten sich alle Gedanken, sie mit Kommilitonen zu erkunden, wie Rauch auf.
    »Sie sind wirklich … beeindruckend«, erklärte Nienna, der fast die Worte fehlten.
    »Sie sind tödlich.« Myriam zügelte ihr Pferd. Das Tier schnaubte, stampfte vor Kälte, und sie beruhigte es, indem sie leise in sein Ohr flüsterte. Dann machte sie eine ausholende Bewegung mit dem Arm. »Das Schwarzspitz-Massiv, Tausende Meilen unüberwindlicher Heimtücke. Sie verzeihen nichts, Nienna. Dort erwartet dich nur Härte und der Wille, dich sterben zu sehen.«
    »Eines Tages werden meine Freundin und ich die Pässe erkunden. Wir werden zum Falkenhort hinaufsteigen. Angeblich ist dieser Ort unglaublich schön. Wir werden dort lagern und die Schönheit der Szenerie in Öl malen, um sie unseren Freunden in der Universität zu zeigen.«
    Myriam lachte schnaubend. »Malen? Mädchen, Falkenhort ist ein Ort, an dem Wölfe und Bären leben, Banditen und Blutöl-Schmuggler. Gewiss, es ist wunderschön dort, aber dort ist nur eins sicher: der Tod für die Unachtsamen.«
    »Du bist schon dort gewesen?«
    »Ich bin viel durch die Schwarzspitzen gereist.«
    »Mein Großvater ebenfalls.«
    »Weiß ich«, erwiderte Myriam. Ihre Augen funkelten. »Deshalb brauche ich ihn so dringend. Jetzt komm, wir schlagen ein Lager auf. Ich fühle, dass es noch schneien wird, und wenn der Schnee von den Schwarzspitzen herunterkommt, werden wir uns dringend ein Dach über dem Kopf wünschen.«
    Sie lagerten in dieser Nacht zwischen einigen Felsbrocken. Myriam garte Wildbret über einem Feuer an einem Spieß. Das Fett tropfte zischend in die Flammen, und Nienna sah fasziniert zu.
    »Hast du noch nie gesehen, wie Fleisch am Spieß geröstet wird?« Myriam saß mit gespreizten Beinen da, den Köcher mit Pfeilen vor sich, während sie die Länge und den Zustand jedes einzelnen Schaftes überprüfte, die Qualität i hrer eisernen Spitzen, die spiralförmig angebrachten Feder n, damit sich die Pfeile im Flug drehten.
    »Als ich bei meiner Mutter gelebt habe, haben wir nie Fleisch gegessen.«
    »Warum nicht?«
    Nienna zuckte mit den Schultern. »Sie hielt das für unmenschlich.«
    »Wie merkwürdig«, antwortete Myriam und runzelte die Stirn. »Tiere sind da, um gegessen zu werden. Einen anderen Nutzen haben sie nicht. Was zum Teufel hast du dann gegessen, Kleine?«
    »Könntest du aufhören, mich Kleine oder Kind zu nennen? Ich habe bereits siebzehn Winter verstreichen sehen.«
    Myriam grinste, und ihr hageres Gesicht wirkte diesmal fast freundlich. Fast. »Gewohnheit. Außerdem, im Vergleich zu mir oder vielmehr verglichen mit den Schrecken, die ich in diesem letzten Jahrzehnt mit angesehen habe, bist du tatsächlich noch ein Kind. Sagen wir, ein Kind der Unschuld? Sei’s drum, also, was hast du gegessen?«
    »Brot, Gemüse, Wurzeln und Pilze.«
    »Da musst du ja wahrhaftig erlesene Speisen genossen haben. Was hältst du denn von saftigem Fleisch, das du mit deinen Zähnen zerteilst, von Säften, die dir die Kehle und das Kinn hinablaufen, oder dem perfekten Geschmack von geröstetem Wildbret?« Sie zog ein Messer heraus und schnitt eine Scheibe von dem Wild ab. Dann hielt sie das Messer mit dem Fleischstück Nienna hin. »Mach nur, koste es.«
    Nienna aß das Wildbret. Es schmeckte tatsächlich traumhaft. Sie hatte selbstverständlich schon Fleisch gegessen, manchmal mit Katrina und gelegentlich auch bei Kell, wenn der grauhaarige alte Krieger genug Geld hatte. Normalerweise war es jedoch Dörrfleisch, das in Suppe aufgeweicht wurde. Nichts davon war so frisch und machte einem den Mund so wässrig wie das Wildbret hier.
    »Gut, hm?« Myriam grinste.
    »Sehr gut.«
    »Siehst du? Du bist meine Gefangene, und doch hast du noch nie so gut gegessen.«
    Nienna senkte den Blick und sah dann direkt in Myriams Augen. »Warum hast du mich vergiftet?«, fragte sie, gedehnt, nachdem sie sich lange angeblickt hatten. »Warum hast du meinen Großvater vergiftet? Ich habe

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