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Kells Rache: Roman (German Edition)

Kells Rache: Roman (German Edition)

Titel: Kells Rache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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eine Aufgabe gestellt, und wenn ich sie nicht bewältige, sterbe ich. Ich werde bald sterben, qualvoll, schrecklich. Aber, du Küken, was bedeutet dir das schon?« Sie zwang sich trotz ihres Grimms zu einem Lächeln, um ihren Worten die Schärfe zu nehmen. Aber Nienna erkannte, wie die Qual in Myriam brannte, obwohl sie versuchte, sie zu unterdrücken. Sie lag wie ein Schatten auf ihrem Gesicht und strahlte aus all ihren Poren. Es ging Nienna nahe, erregte ihr Mitgefühl. Sie ertrug es nicht, jemanden leiden zu sehen.
    »Wo hast du Schmerzen?«
    »Geh ein Stück mit mir. Zurück zum Lager«, forderte Myriam sie auf. Unterwegs seufzte sie. »Es schmerzt überall, Kleine. In meinen Muskeln, in meinen Knochen, in meinem Kopf, in meinem Bauch, in meinen Lenden.«
    »Soll ich dir deine Muskeln massieren?«
    Einen Augenblick lang flammte Wut in Myriam hoch, wie Lava, die sich unter dem Meer in den Ozean ergoss. Doch dann beruhigte sie sich. Sie verabscheute Mitleid, aber dies hier war kein Mitleid; es war Mitgefühl. Und das war etwas vollkommen anderes.
    Myriam seufzte. Seit Jahren hatte niemand sie berührt. »Das wäre ausgesprochen … sonderbar«, erwiderte sie und legte den Kopf auf die Seite. »Aber ich glaube, es wäre mir sehr willkommen.«
    Sie hatten das Lager erreicht. Jex saß da und schärfte sein Schwert. Er blickte hoch. »Hast du ihn gefunden?«
    »Ich habe ihn gefunden und ihm eine Warnung erteilt«, erwiderte Myriam. »Geh und sieh nach ihm, wenn du willst.«
    »Das mache ich. Wir brauchen seinen Schwertarm vielleicht noch, falls wir erneut auf irgendwelche dieser Albino-Mistkerle treffen. Es wäre verrückt, wenn wir beide uns ihnen alleine stellten.« Myriam nickte und sah Jex nach, der sich durch den Wald davonmachte.
    »Der Morgen graut«, sagte sie, trat ans Feuer und warf noch ein paar Scheite in die Flammen. Die Funken tanzten. »Komm und setz dich zu mir.«
    Nienna tat wie geheißen. Als die große Frau sich setzte und die Beine ausstreckte, hob sie mit einem Stöhnen den Kopf. Nienna trat hinter sie und legte ihre Hände auf Myriams Schultern. »Das hat mir mein Großvater beigebracht«, sagte sie. Sie machte sich daran, Myriams Muskeln zu kneten. Sie spürte die festen Knoten, die die Anspannung der Frau verrieten. Myriam mochte sich vielleicht gelassen und entspannt geben, aber sie war eine unbewegliche Masse aus knochenharten Muskeln und starrer Furcht. Nienna schloss die Augen und ließ zu, dass ihre Hände dem Fluss folgten, knetete Myriams Hals und ihre Schultern und löste die Anspannung. Sie rieb, knetete und strich eine ganze Weile, und als sie die Augen wieder öffnete, stöhnte Myriam. Es war ein leises, klagendes Stöhnen, das beinahe ekstatisch klang.
    »Hilft es?«, erkundigte sich Nienna.
    »Es ist wundervoll«, antwortete die Frau und drehte sich herum, um das Mädchen anzublicken. »Es ist schon viel zu lange her, seit mich jemand so berührt hat.« Dann lachte sie und schüttelte den Kopf. Ihr kurz geschorenes schwarzes Haar schimmerte von Schweiß. »Verzeih. Achte einfach nicht auf mich. Ich bin verrückt.«
    Nienna sah die Tränen in Myriams Augen, verzichtete jedoch klugerweise auf einen Kommentar. Stattdessen betrachtete sie die harten, hageren Züge der Frau, die tief in den Höhlen liegenden Augen, die dünnen, weißen Narben, brutale Spuren verletzter Haut. Diese Frau war dem Tode nahe, das war Nienna klar. Und doch war sie eine Mörderin. Sie hatte Nienna vergiftet, und Kell; verdiente sie es denn nicht zu sterben? Plötzlich begriff Nienna. Myriam wollte dasselbe, was alle anderen Kreaturen auf dieser Welt ebenfalls wollten: leben. Es war ein einfaches, primitives Grundbedürfnis, diese eine Sache, die so viele für selbstverständlich hielten, dieser eine grundlegende Rohstoff, den so viele mit ihrer Zügellosigkeit, ihrer Armseligkeit, ihrem verbrecherischen Leben, ihrer Gier und ihrem Selbstmitleid vergeudeten . Leben. So ungeheuerlich und doch gleichzeitig so gerin g geachtet.
    »Was denkst du?«, flüsterte Myriam. Sie sah Nienna an, und Tränen schimmerten in ihren Augen. Dann grinste sie, ein junges, beinahe mädchenhaftes Grinsen, und legte den Kopf ein wenig schief. Einen Moment lang sah Nienna Sonnenschein, sah Jugend, Vitalität, Schönheit. Doch all das verblasste rasch, zerfiel in seine Bestandteile, und Myriams Gesicht war wieder so zerstört wie zuvor.
    »Ich denke, dass du einmal sehr hübsch gewesen bist«, antwortete Nienna.
    »Und ich denke, dass

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