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Kells Rache: Roman (German Edition)

Kells Rache: Roman (German Edition)

Titel: Kells Rache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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draußen genommen und ihn gedemütigt. Ich habe niemals jemanden getötet, o nein, denn ich war nicht gänzlich verroht. Obwohl ich fast zu einem Tier verkommen war, Jungchen, fast. Aber ich habe jedem von ihnen eine bleibende Erinnerung an mich hinterlassen. Einmal habe ich einen Mann so hart geschlagen, dass er zwei Zähne durch die Nase geblasen hat, als er wieder zu sich kam. Ein anderes Mal haben meine Knöchel Beulen auf dem Schädel eines Mannes hinterlassen. Er hatte verdammt viel Glück, dass ich ihn nicht getötet habe. Er war über fünf Wochen lang bewusstlos.«
    »Und du hast gewartet, bis er wieder zu sich kam? Das war doch zumindest eine feine und vornehme Geste! Du hast bewiesen, dass du ein Mindestmaß an Ehre in dir hattest. Dir lag immerhin so viel an ihm, dass du das Ergebnis dieser Angelegenheit abgewartet hast.«
    »Schwachsinn!«, dröhnte Kell, in dem einen Augenblick lang Wut aufflammte. »Ich habe ihn zehn Jahre später wieder getroffen, als ich vollkommen betrunken war. Er hat mir die Knöchelspuren auf seinem Schädel gezeigt. Er meinte, er wäre zwanzig Jahre lang Faustkämpfer gewesen und hätte noch nie einen Mann getroffen, der so hart zuschlagen konnte wie ich.«
    »Nun, da hast du dir deinen Ruf wohl rechtmäßig verdient«, erwiderte Saark kalt.
    »Du verstehst nicht, worauf ich hinauswill, Jungchen. Ich will darauf hinaus, dass ich meine Frau schlecht behandelt habe. Das heißt, der entscheidende Punkt ist der, dass ich ein Hedonist war, so wie du; ich habe meine Frau nicht respektiert, ich habe mich der Gewalt hingegeben, dem Bier, dem Whisky und den Frauen, die sich mir an den Hals warfen, damals, als ich der härteste Mistkerl in der Schänke und bereit war, es mit jedem Mann im Dorf oder der Siedlung oder der Stadt aufzunehmen … und ich habe sie alle geschlagen! Die Frauen gehörten mir, standen mir zur Verfügung, wollten von mir benutzt werden, und ich habe sie benutzt! Dann hat meine Frau mich verlassen. Meine Tochter hasste mich. Und ich kann von Glück reden, dass ich überhaupt Kontakt zu Nienna habe. Ich bin ein Glückspilz, dass ich meine Enkelin habe.«
    Dann hockte Kell sich hin, brütete über irgendwas. Er senkte die Lider, und seine Miene verfinsterte sich.
    »Und was ist die Moral von deiner Predigt?«, fragte Saark unbekümmert.
    »Du solltest wertschätzen, was du hast!«, schnarrte Kell verbittert. »Ich war wie du, Saark. Ich sage das, obwohl du das mit deiner sehr begrenzten Intelligenz wahrscheinlich schwerlich begreifen kannst. Ich war ein Verrückter, ein schlechter Mensch, habe keine Gefangenen gemacht. Bier, Whisky, Drogen, Frauen, ich habe all das in vollen Zügen genossen. Aber es tat mir nicht gut. Schließlich bin ich leer, aufbrausend und gebrochen geendet.«
    »Du wirkst alles andere als gebrochen auf mich«, antwortete Saark leise.
    »Du siehst nur die Hülle!«, fuhr Kell ihn an. »Aber nicht die leeren, eitrigen Löcher darin. Nun, es mag sein wie es will, Jungchen, mach was du willst und respektiere niemanden; aber ich schwöre dir, eines Tages, wenn du alt bist und deine Zeit aufgebraucht, wenn du Arthritis hast und keine Kinder, die dein Verscheiden beweinen, und keine Enkelkinder, die auf deinem Knie sitzen und dich mit strahlenden, großen Augen alle möglichen Dinge fragen«, er lachte, »denn ja, sie werden dich nach Geschichten von deinen Reisen mit Kell, der Legende, fragen. Dann, Saark, Jungchen, wenn du nichts in deinem Leben gewesen bist als ein ehrloser Halunke, dann wirst du eines Tages erkennen, dass deine verfluchte Zeit endgültig abgelaufen ist. Und du wirst sterben, traurig und ungeliebt und allein. Und zwar noch einsamer als ich.« Kell lächelte und trieb sein Pferd weiter. Sie ritten aus dem schneebedeckten Wald hinaus auf eine Ebene und blickten auf das hoch aufragende Schwarzspitz-Massiv vor ihnen.
    Saark runzelte die Stirn. Kell hatte einen Nerv getroffen, und seine Gedanken wirbelten wie Schneeflocken in einem Wintersturm durch seinen Kopf. »Du elender, mieser alter Mistkerl«, murmelte er und galoppierte hinter dem alten Krieger her, während er sich an dem hohen Sattelknauf festhielt.
    Saark verlangte nach einer Pause. Sie setzten sich unter die verschneiten Koniferen und betrachteten die öde Landschaft. In der Ferne schienen die Schwarzspitzen sie zu verspotten. Sie kamen näher. Je schwächer Kell wurde, desto näher kamen sie. Er wusste, dass Nienna irgendwo da draußen war, genauso wie ihm klar war, dass dort

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