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Kells Rache: Roman (German Edition)

Kells Rache: Roman (German Edition)

Titel: Kells Rache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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und brennender wurde. Dann durchzuckten zwei schmerzhafte Stiche seinen Mund. Saark wusste nicht, ob er aufgeschrien hatte, denn er fiel auf den verschneiten Boden, roch das zertretene Eis, die Bäume, den Wald und sogar ein Kaninchen, das zitternd in seinem Bau hockte. Er roch Kell, seinen Schweiß, die Essensreste in seinem buschigen Bart, d en schalen Whisky auf seiner Weste. Saark blickte vom ver schneiten Boden hoch, zitternd, sah hinauf zum Mond. Wieder stach ihn der Schmerz in den Kiefer, und sein e Zähne schienen in seinem Schädel zu klappern. Der Schmerz war unglaublich. So etwas hatte er noch nie erlebt. Es war noch schlimmer als der Dolchstoß, den Myriam ihn versetzt hatte; es war erheblich schlimmer als jeder Stich, der jemals seine Haut durchbohrt hatte. Er hätte schreien mögen, aber der Schmerz schlug über ihm zusammen, erstickte ihn. Es war ein merkwürdiger Schmerz, ein honigsüßer Schmerz, dick, süß, widerlich und fast erwünscht … fast.
    Dann hörte Saark die Geräusche wie aus weiter Ferne. Es war ein Knacken, zerfetzende Haut, brechende Knochen … die Geräusche kamen aus ihm selbst. Entsetzt ließ er sich auf den Hintern fallen, berührte sein Gesicht, seine Zähne, seinen Oberkiefer, durch den sich zwei lange Eckzähne gebohrt hatten. Er berührte sie, spürte, wie unglaublich scharf sie waren. Er schnitt sich die Haut seines Daumens daran, sah zu, wie das Blut über sein eisiges, vom Mond beschienenes, bleiches Fleisch quoll, und riss die Augen auf. Seine Nasenflügel zuckten. Der Geruch von Blut weckte etwas Animalisches in ihm; nein, nichts Animalisches, sondern etwas Tieferes, etwas Wilderes, Gemeineres, Primitives, etwas, das er nicht erklären konnte.
    »Was passiert mit mir?«, fragte er laut. Seine Stimme klang belegt und undeutlich, und in ihm drehte sich alles. Dann fuhr sein Kopf ruckartig nach rechts herum, und er kniff die Augen zusammen. Sein Blick richtete sich auf Kell. Er nahm nicht nur den widerlichen menschlichen Gestank wahr, sondern er roch jetzt auch Kells Blut.
    Saark ließ sich auf Hände und Knie sinken und hielt dann inne, den Blick immer noch auf Kell gerichtet. Der Geruch von Kells Blut drang ihm in die Nase. Er konnte jeden einzelnen Tropfen riechen. Es pulsierte langsam durch Kells Adern, und für Saark schien die ganze Welt zu verschwinden, sich zu verändern. Das Einzige, das noch existierte, war diese Felsengruppe, dieses Lagerfeuer, dieser verschneite Moment mit dem schlafenden Kell, der den Kopf zurückgelegt hatte, schnarchte und seinen weichen Hals entblößte. Saark erkannte das Schlagen des Pulses in Kells Hals. Die Wirkung dieses Anblicks war nicht nur verlockend, überstieg Lust und Bedürfnis bei Weitem, sondern ging über in ein anderes Reich, das mehr bedeutete als Leben und Tod. Saark wollte Blut. Saark brauchte Blut. Wenn er Kells Blut nicht trank, würde er ganz bestimmt sterben; er würde ganz ohne Zweifel zu einer Million Facetten von Schmerz explodieren, nur um erneut zusammengesetzt und dann wieder zerfetzt zu werden, immer und immer wieder, bis ans Ende der Ewigkeit.
    Langsam kroch Saark durch den Schnee.
    In dem wächsernen Mondlicht schlief Kell tief und fest.

9
    DIE ERNTE
    Die Wölfe schlichen langsam in die Höhle, und Alloria stand wie erstarrt vor Furcht da. Sie starrte den Leitwolf an, ein riesiges, schwarzes Biest mit gelben, verächtlichen Augen. »Bleibt zurück!«, rief Vashell. Alloria drehte sich langsam herum, als hätte sie Angst, dass das Tier sie angreifen, ihr mit seinem riesigen Maul den Kopf abreißen würde, wenn sie ihm den Rücken zukehrte.
    Ganz langsam wich Alloria zurück. Sie fühlte das Feuer warm in ihrem Rücken. Ihr Mund war trocken, sie hatte die Augen weit aufgerissen und atmete stoßweise. Sie ließ die Hand in einer unbewussten, mütterlichen Schutzhaltung zu ihrem Unterleib sinken. Obwohl ihre Söhne, falls sie, was sie bezweifelte, überhaupt noch lebten, viele Meilen entfernt waren. In einer anderen Welt.
    Vashell schob sich an ihr vorbei. Sein schrecklich entstelltes Gesicht wirkte dämonisch; er hatte die Augen zusammengekniffen, sein Uhrwerk tickte, und die Zahnräder klickten. Alloria zuckte zusammen, als sie den Dolch in seiner Hand bemerkte. Er hatte ihn offenbar aus ihrem Rucksack genommen. Er duckte sich, schob die breiten Schultern zum Kampf vor … aber nichts passierte. Vashell knurrte; ein tiefes, animalisches Knurren aus seiner Kehle, das doch seltsam durchsetzt war mit dem Ticken

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