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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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sogar.«
    »Am Ende heißt es wieder, ich hätte gegen die Schweigepflicht verstoßen …«
    Lothar Schiefer hockte sich breitbeinig auf die Behandlungsliege und verschränkte die Arme vor der breiten Brust, als habe er ernsthaft vor, den Raum nicht mehr zu verlassen. So sah er den Arzt nur an, sagte nichts und wartete.
    »Ich sollte das für mich behalten. Wirklich.«
    Wie der Mann ihn voll schweigender Erwartung ansah! Nicht auszuhalten.
    »Ich und mein loses Mundwerk …«
    Nicht einmal die Andeutung eines Lächelns. Geradezu schraubstockhafte Stille. Schweigen, von dem ein Sog auszugehen schien.
    »Also gut. Aber es bleibt unter uns!?«
    Der Finanzberater, sonderbar zerzaust wirkend in seinem italienischen Designeranzug ohne Krawatte, nickte nur. Nickte. Versprach es. Endlich konnte Doktor Lacher die Schleusen öffnen und erzählen, erzählen, erzählen …
    Eine Dreiviertelstunde später, das Wartezimmer war schon bis auf den letzten Platz voll und der Tagesplan endgültig durcheinander, verließ ein abgrundtief verwirrter Lothar Schiefer die ärztliche Praxis. Das, was der Arzt ihm erzählt hatte, fand einfach keinen Platz in seinem Weltbild. Machte keinen Sinn. Als er seinen Wagen erreicht hatte und hinter dem Steuer saß und ihm der Wagenschlüssel das dritte Mal aus den Fingern geglitten und zu Boden gefallen war, realisierte er, dass er nicht imstande war zu fahren.
    Er blieb eine Weile sitzen und dachte nach, aber es ergab immer noch keinen Sinn, und er wurde immer konfuser im Kopf, je länger er nach einem suchte. Schließlich rief er über sein Autotelefon ein Taxi, um sich nach Hause bringen zu lassen.
    »Denkst du nicht, dass das ziemlich gefährlich werden kann?«, fragte Thilo.
    Sabrina durchwühlte einen Schuhkarton voller Briefe, Postkarten und Notizzettel, und sie hielt nicht inne, während sie antwortete. »Wieso? Gibt’s neuerdings Grizzlybären auf der Schwäbischen Alb?«
    »Sehr witzig. Ich denke, Kelwitts Absturz ist beobachtet worden?«
    »Ist er.«
    »Und hast du nicht die ganze Zeit in Paranoia gemacht, dass die Geheimdienste auf der Lauer liegen, um Kelwitt zu fangen, falls er dorthin zurückgeht?«
    »Ja. Aber Kelwitt geht ja nicht. Ich gehe.« Sabrina musterte einen Zettel, auf dem nur Alex stand und eine Telefonnummer. »Alex? Alex? Ah – Zeltlager. Genau. Einen Versuch wert.« Sie legte den Zettel beiseite und wühlte weiter.
    »Und was soll das bringen?«
    »Moritz«, las Sabrina. »Der studiert wahrscheinlich immer noch. Und fährt sicher immer noch seine Klapperente.« Noch ein Brief, der auf dem kleinen Häufchen neben dem Telefon landete. »Schon mal den Begriff ›Kundschafter‹ gehört?«, sagte sie dann auf die Frage ihres Bruders, der unruhig an ihrem kleinen Schreibtisch lehnte.
    »Das habe ich schon verstanden. Du willst herausfinden, was aus Kelwitts Raumschiff geworden ist. Und danach? Du kannst es ja wohl schlecht einfach mitbringen.«
    Sabrina seufzte.
    »Ach, das weiß ich auch noch nicht! Aber ich will nicht einfach herumsitzen und zusehen, wie Kelwitt mehr und mehr verfällt.«
    »Momentan scheint es ihm doch wieder besser zu gehen …«
    »Weil er das, was er bei uns gegessen hat, wieder losgeworden ist. Aber das ist ja keine Lösung. Er braucht seine eigene Luft, und vor allem braucht er seine eigene Nahrung!« Sie klappte den Deckel des Schuhkartons zu, schob ihn in das Schreibtischfach zurück, aus dem sie ihn geholt hatte, und förderte aus demselben Fach ein Adressenbüchlein mit abgewetzten Pferdebildern auf dem Umschlag zutage.
    »Sag mal«, fragte Thilo, »was machst du da eigentlich?«
    Sabrina hielt inne, das aufgeschlagene Adressenbuch in der Hand, als müsse sie sich das selber erst überlegen. »Tja«, sagte sie, »wie soll ich sagen … Ich suche Telefonnummern von Leuten, die sich eventuell überreden lassen, mich mit dem Auto in der Gegend um Blaukirch herumzufahren.«
    »Wieso das denn?« Thilo beugte sich über den kleinen Stapel von Briefen und Notizzetteln. »Du willst da irgendwelche Leute mit reinziehen? Irgendwie wirst du immer leichtsinniger, hab ich das Gefühl …«
    »Unser Vater wird bis zum Ladenschluss an Silvester praktisch in der Firma wohnen, das ist ja wohl klar.« Und ihre Mutter traute sich das Autofahren nicht mehr zu seit einem Ereignis kurz nach Sabrinas Geburt, über das nie gesprochen wurde.
    »Es soll ja so Einrichtungen geben wie Busse und Bahnen«, schlug Thilo vor. »Hört man bisweilen.«
    »Danke. Man merkt, dass du

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