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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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ich mich net aus …«
    Sie probierten es trotzdem.
    Hase winkte den Mann mit der Kamera näher heran, während er dem Bauern zu erklären versuchte, was die Striche und Kästchen auf der Karte bedeuteten. Schließlich einigten sie sich auf einen Punkt an der Straße, die von Blaukirch nach Kirchlöhnen führte. Ja, bestätigte der Mann vor laufender Kamera, dort sei es gewesen. Hase zeichnete ein Kreuz ein, mit einem blauen Filzstift.
    »Das deckt sich mit den vorliegenden Informationen«, erklärte Hase fürs Protokoll und zeigte auf ein rot eingezeichnetes Kreuz. »An dieser Stelle ist mein Fahrzeug aus noch ungeklärter Ursache von der Fahrbahn abgekommen und eine Böschung hinabgestürzt, wobei es sich überschlug. Ich verlor das Bewusstsein, und das zuvor in Blaukirch sichergestellte Wesen entkam. Wenn es hier« – er zeigte auf das blaue Kreuz – »gesehen wurde, heißt das, es hat sich zielstrebig auf den Weg zurück zur Absturzstelle gemacht.« Drittes Kreuz, schwarz.
    Plötzlich kam Hase eine Idee.
    Eine Eingebung, gewissermaßen. »Haben Sie«, fragte er den unentwegt kauenden Mann, »beim Weiterfahren andere Autos gesehen? Entgegenkommende Autos?«
    Der Mann kaute eine Weile weiter. »Ja«, meinte er dann. »Eins.«
    Hase spürte plötzlich seinen Puls. »Können Sie sich erinnern, was für eines?«
    Kaubewegungen. Sie machten ihn rasend. »Ein Mercedes. Dunkelgrau.«
    »Können Sie sich an das Kennzeichen erinnern?« Das wagte er ja kaum zu hoffen …
    »Des han ich mir net g’merkt. ’s war halt ein Stuttgarter Kennzeichen. Am Steuer war ein Mann, und ein jung’s Mädle auf dem Beifahrer. Ein blond’s Mädle.«
    »Ein dunkelgrauer Mercedes mit Stuttgarter Kennzeichen«, rekapitulierte Hermann Hase und versuchte, im Kopf zu überschlagen, auf wie viele Fahrzeuge diese Beschreibung zutreffen mochte.
    »Ja. Die ham dann bei dem Viech g’halten.«
    »Wie bitte?!« Hase war elektrisiert. »Angehalten?«
    »Ja. Das Viech ist ja auf ihrer Fahrbahn g’laufen. Ich hab noch g’sehen, wie sie g’halten haben und ausg’stiegen sind.«
    »Und dann?!«
    »Bin ich um die Kurv’.«
    Eine halbe Stunde später ging bei der Stuttgarter Kraftfahrzeug-Zulassungsstelle per Fax ein Ersuchen um Amtshilfe ein. Eine nicht näher bezeichnete Sonderermittlungskommission, die sich über mehrere Rückrufnummern ins Bundesinnenministerium legitimierte, bat um ein Verzeichnis aller Kraftfahrzeuge mit Stuttgarter Kennzeichen vom Typ Mercedes-Benz, Farbe dunkelgrau oder anthrazit, mit Namen und Anschrift des Halters, als Datei und als Computerausdruck; ein Kurier werde innerhalb der nächsten anderthalb Stunden eintreffen und auf das Ergebnis der Abfrage warten. »Da ist jemand völlig verzweifelt«, meinte der zuständige Beamte zu seinem Kollegen. »Oder komplett wahnsinnig.«
    Auch Kelwitt und seine Gastgeber saßen an diesem Morgen über Landkarten. Eine Wanderkarte, die den Osten der Schwäbischen Alb und einen Teil des angrenzenden Schwarzwalds zeigte, lag ausgebreitet auf dem Küchentisch. Allerdings blätterte Kelwitt sich gerade durch Thilos Schulatlas.
    »Hier«, erklärte er schließlich. Interessanterweise benutzte er zum Zeigen jedes Mal einen anderen seiner tentakelartigen Finger.
    Sabrina ächzte. »Das kann nicht sein. Das ist Somalia.«
    »Wieder falsch?«, fragte Kelwitt.
    »Ja. Wieder falsch.«
    Tik, Kelwitts erstaunlicher kleiner Computer, kannte die genaue Absturzstelle des Raumboots. Das Problem war nur, ihm beizubringen, diese Position in das auf irdischen Karten gebräuchliche Koordinatensystem zu übersetzen. Irgendwie hatte er da etwas missverstanden.
    »Dann hier!«, versuchte es Kelwitt erneut und zeigte auf eine Stelle, die im Golf von Biskaya lag, weit vor der Küste von Brest.
    Thilo nahm ihm den Atlas wieder ab und klopfte mit der flachen Hand auf die Wanderkarte. »Hier!«, sagte er. »Es muss hier irgendwo sein.«
    Nora beobachtete das alles mit einem unguten Gefühl. Ein dunkles, unruhiges Gefühl, das mehr war als Sorge. »Ich weiß nicht, was euer Vater dazu sagen würde«, meinte sie zaghaft und wünschte sich, ihr Mann wäre da gewesen, um dem Einhalt zu gebieten, was sich hier anbahnte. Aber Wolfgang Mattek war an diesem Morgen schon um fünf Uhr früh aufgestanden, um nach einer flüchtigen Rasur, einer flüchtigen Tasse Kaffee und einem flüchtigen Kuss zurückzukehren in das Büro, das er am Abend zuvor erst um halb elf verlassen hatte. »Der Endspurt!«, hatte er ihr

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