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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Haar und ihrem schwarzen Mantel bildete sich schon eine puderweiße Schicht.
    Sie müsse Zwiesprache halten, hatte sie erklärt, mit den Lichtwesen der höheren Ebenen. Oder so ähnlich.
    Kelwitt untersuchte höchst interessiert die Schachtel, in der Thilos Hamburger gewesen war, und beschnupperte mit seinen Mundborsten die Reste von Käse und Soße. Überhaupt schien ihm das ganze Abenteuer nicht schlecht zu gefallen. Er fand alles interessant und stellte immer wieder Fragen, als seien sie nicht auf der Flucht, sondern auf einer Sightseeing-Tour.
    Dabei schien er seinen Körper zu vergessen. Körperlich ging es ihm zusehends schlechter. Er hatte eine Art Husten entwickelt, wobei er natürlich aus seinem Kopfloch hustete, und ab und zu kam etwas Schleim aus der Atemöffnung.
    Nora sah auf die Uhr. Schon nach drei. Wie die Zeit verging. Sie hätte gern zu Hause angerufen, aber Thilo und Sybilla hatten übereinstimmend gemeint, dass das keine gute Idee sei. »Dann wissen die sofort, wo wir sind!«, hatte Thilo erklärt, und da er sich mit solchen Dingen beschäftigt hatte, glaubte sie ihm das. »Erst recht mit ’nem Handy. Das brauchst du nur einzuschalten, und schon wissen die, wo du bist.«
    Kelwitt legte die Schachtel zurück auf die aufgerissene Tüte, machte eine seiner anmutigen Gesten und meinte: »Ich finde es erstaunlich, was ihr alles zu euch nehmen könnt.«
    Wolfgang Mattek war um halb drei nach Hause gekommen. Er war der Letzte gewesen, der die Firma an diesem Tag verlassen hatte, hatte alle Mitarbeiter an der Tür mit Handschlag verabschiedet und sich endlich vom Nachtwächter ausschließen lassen. Unterwegs im Auto hatte sich eine bleierne Müdigkeit auf ihn herabgesenkt, eine so fürchterliche Erschöpfung, dass er die Heizung abgedreht und ganz gegen seine Gewohnheit einen Radiosender mit dröhnender Popmusik eingeschaltet hatte, aus Angst, mitten im Stadtverkehr am Steuer einzuschlafen. »Heute mache ich nichts mehr!«, hatte er sich geschworen. »Den Rest dieses Jahrtausends ruhe ich mich nur noch aus.«
    Er bog in die Straße ein, sah die Spuren eines kolossalen Massenunfalls und runzelte die Stirn.
    Dann sah er, dass jemand quer durch ihren Vorgarten gefahren war. Allerhand. Er stellte das Auto vor der Garage ab, um sich die Angelegenheit aus der Nähe anzusehen, und stellte fest, dass die Haustür offen stand. Das nun war wirklich beunruhigend.
    »Hallo?« Er schob die Tür weiter auf. Im Flur brannte Licht, die Vorhänge im Wohnzimmer waren zugefahren, etliche Girlanden abgerissen, das bereits aufgebaute Büffet ansonsten unangetastet. »Jemand zu Hause?«
    Niemand meldete sich. In der Küche lag der Karpfen tot im Ausguss und glotzte ihn mit großen Knopfaugen an. Mattek schnupperte, und jetzt erst roch er es: Es stank nach Kordit. Nach abgebranntem Feuerwerk. Er hatte den Geruch noch aus der Firma in der Nase, aber hier war er zweifellos auch. »Nora? Thilo? Sabrina?« Die Zimmer alle leer. »Kelwitt?« Auch das Gästezimmer verlassen. Sogar die Wachstischdecke mit den Sonnenblumen, die Kelwitt die letzten Tage benutzt hatte, war verschwunden
    Und die Kellertür stand auch offen, mit aufgebrochenem Schloss.
    Was war hier geschehen? Keine Nachricht, nirgends. Das beunruhigte ihn am meisten. Zweifellos hätten sie ihm eine Nachricht hinterlassen, wenn sie irgendwohin gegangen wären, und sei es nur, dass er sich keine Sorgen machen solle. Und zweifellos hätten sie die Haustür nicht offen stehen lassen. Alle Spuren, die er vorfand, ließen nur den Schluss zu, dass sie entführt worden waren.
    Er ging zum Telefon, versuchte jemanden anzurufen, die Polizei, Lothar, aber egal wessen Nummer er wählte, es klingelte nur und klingelte, ohne dass jemand abhob.
    Der Mann an den Tonbandgeräten nahm den Kopfhörer ab. »Im Zimmer der Mädchen geht irgendwas vor sich«, sagte er. Sein Blick suchte den Hases, und dem Ausdruck seiner Augen nach beunruhigte ihn, was er gehört hatte.
    Hase nickte. »Jemand soll nach ihnen sehen.«
    Viel Auswahl war nicht, solange Wiesel und die anderen noch nicht wieder da waren. Der Abhörtechniker stand auf, legte das Schulterhalfter wieder an und ging zur Tür. Als er sie öffnete, hörte man von draußen schon, wie jemand panisch gegen eine verschlossene Tür trommelte.
    Der Agent beeilte sich. Das Zimmer der Mädchen lag eine Treppe höher. Als er die Tür aufschloss, sah er, dass eine der beiden – die Dunkelhaarige – starr und verkrampft auf dem Boden lag und

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