Kelwitts Stern
eingerechnet, sieben bis acht.«
Kelwitt wusste nicht so recht, ob er das Sternenschiff herbeisehnen sollte oder nicht. Dieses Abenteuer, in das er da hineingeraten war, mochte durchaus interessant sein, aber es war auch anstrengend. Abgesehen davon, dass er mit einem äußerst dürftigen Orakelergebnis heimkehren würde, würden ihm die Sternfahrer gehörig die Schuppen bürsten für seine Übertretung der Standesregeln.
Unsremuutr begann mit allerlei Gerätschaften zu hantieren. Offenbar ging es dabei um Vorbereitungen für die Nahrungsaufnahme, und auf ein Geheiß Unsremuutrs nahmen S’briina und Tiilo ihm das Buch weg und führten ihn aus dem Nahrungsraum hinüber in einen etwas größeren, wenngleich ebenfalls streng rechteckigen Raum, der offenbar dem allgemeinen Aufenthalt des Schwarms diente. S’briina brachte ein beschichtetes Tuch herbei, wiederum auf den Schutz feuchtigkeitsempfindlicher Einrichtungen bedacht. Sie fanden einen bequemen Sitz, der nicht widerlich weich war und auf dem er, nachdem das Tuch darübergebreitet worden war, Platz nehmen konnte, um sich weiter der Lektüre des dicken Buches zu widmen.
»Der Segeltuchsessel ist Vaters Heiligtum«, meinte Nora Mattek missbilligend, während sie Zwiebeln schälte. Es würde Zwiebelgeschnetzeltes mit Spätzle und grünem Salat geben, davon konnte sie Wolfgang eine Portion für den Abend aufheben. »Ich weiß nicht, ob ihm das gefallen wird.«
»Er wird’s überleben«, meinte ihre Tochter in ihrem üblichen patzigen Tonfall, ohne dass klar wurde, von wessen Überleben die Rede war.
Na gut, sie hatte die große Wachstischdecke mit den riesigen Sonnenblumen darübergebreitet, und der magere Außerirdische mit dem delphinartigen Kopf saß wirklich äußerst manierlich da, hingebungsvoll den ersten Band des zweibändigen Jugendlexikons studierend, den die beiden ihm gegeben hatten.
Sie wusste immer noch nicht, was sie von der ganzen Sache zu halten hatte. Weniger eigentlich als gestern Abend noch. Da war es alles so neu gewesen, so überraschend, beinahe aufregend. Aber nun meldeten sich mehr und mehr Bedenken: War es klug, den Außerirdischen aufzunehmen? Würden sie sich Schwierigkeiten einhandeln damit? Und vor allem kam es ihr, je länger es dauerte, immer unwirklicher vor. Vielleicht, weil es im Grunde so wirklich war. Die Begegnung mit einem Außerirdischen – das hatte sie sich immer ganz anders vorgestellt. Größer irgendwie, epochaler, geradezu weltbilderschütternd. Nicht dass sie sich je viel für derartige Dinge interessiert hatte, aber natürlich hatte sie ein paar der einschlägigen Filme gesehen – E.T. natürlich, und die Unheimlichen Begegnungen der dritten Art– und sich danach unvermeidlich die Frage gestellt: Wird es jemals zu Kontakten zwischen Menschen und Lebewesen von anderen Sternen kommen? Wie wird dieser Kontakt aussehen? Ganz bestimmt hatte sie sich nicht vorgestellt, dass dieser Kontakt so aussehen würde, dass ihre Tochter eines Tages einen Außerirdischen mit nach Hause bringen würde, und noch weniger, dass der am Samstagmittag im Lieblingssessel ihres Mannes sitzen und ein Lexikon lesen würde!
Je mehr Zeit verging, das spürte sie, während sie die Zwiebeln in die zerlassene Butter in der Pfanne gab, desto dringender wartete etwas in ihr darauf, dass jemand aus den Kulissen trat und sagte: Ätschbätsch, reingefallen – war alles nur Spahass! Ein richtiges Sehnen war das in ihr, eine Anspannung von der großen Zehe bis hinauf zum Scheitel, die nur auf einen derartigen erlösenden Moment harrte.
Ein Außerirdischer? Ja, er sah fremdartig aus. Doch, zweifellos war er ein Außerirdischer. Daran konnte man nicht vernünftig zweifeln. Was sie nicht fassen konnte, war, dass das so normal ablief. Im Grunde fühlte sich die ganze Situation nicht großartig anders an, als beherbergten sie einen gut erzogenen Orang-Utan.
»Sabrina?«, hörte sie sich rufen. »Hilfst du mir beim Kochen?«
»Ja, gleich«, kam die Antwort, wie immer.
Sie hatten einen Außerirdischen im Wohnzimmer sitzen. Die uralte Frage der Menschheit war beantwortet. Doch nicht einmal das konnte etwas daran ändern, dass sie in der Küche stehen und das Mittagessen zubereiten musste.
»Dein Laden brummt«, meinte der Besucher anerkennend. Er rekelte sich in dem tiefen Lederfauteuil und schlenkerte dabei gewohnheitsmäßig mit dem Handgelenk, sodass der Ärmel seines modischen Sakkos zurückrutschte und die dicke goldene Armbanduhr freigab, die
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