Kelwitts Stern
wieder Bock auf Essen haben werden, und dann sollte was im Haus sein, verstehst du?« Wahrscheinlich war es falsch, so auf seine aus lauter Fernsehpuzzlestücken zusammengebaute Sprechweise einzugehen, aber sie konnte der Versuchung nicht widerstehen.
»Unser Vater«, wiederholte Kelwitt ernsthaft. »Unsere Mutter. Sabrina.« Er deutete auf sie, dann auf ihren Bruder. »Thilo. Und diese Antwort ist – richtig!«
Thilo schüttelte den Kopf. »Das ist echt abgefahren. Das sollten wir aufnehmen, weißt du das?«
»Hab ich mir auch schon überlegt. Hast du eine Ahnung, wo Vaters Videokamera ist?«
»Ach, Scheiße«, fiel es Thilo ein. »In der Schule. Ich hab sie für so eine beknackte Projektarbeit mitgenommen.«
»Na, toll.« Sabrina wandte sich an Kelwitt, der ihnen interessiert zugehört hatte. »He, kannst du uns eigentlich inzwischen ein bisschen mehr darüber erzählen, woher du eigentlich kommst und was du hier willst?«
Kelwitt machte eine seiner eleganten fingertänzelnden Gesten und legte los, in einem wilden Kauderwelsch aus Werbeslogans und unpassend gewählten Wörtern, und alles mit schwäbischem Akzent. Mit einiger Mühe verstanden sie, dass sein Heimatplanet Jombuur hieß, dass seine Heimatsonne aber zu weit entfernt war, als dass man sie am irdischen Nachthimmel hätte erkennen können.
»So heißt eure Sonne? Bandarats Stern?«
»Ja.«
»Und ist die weit weg von hier, diese Sonne?«
Kelwitt machte eine Geste, die verdächtig so aussah, als habe er sie Inspektor Colombo abgeschaut. »Das ist schwer zu sagen. Wenn ich es richtig verstanden habe, würde ein Raumschiff wie eure ›Enterprise‹ ungefähr einen Monat unterwegs sein bis dorthin.«
Sabrina starrte den Außerirdischen an und fühlte, wie ihre Kinnlade haltlos nach unten sacken wollte. »Oh, Scheiße«, murmelte sie.
»Wir dürfen ihn wirklich nicht so viel fernsehen lassen«, meinte Thilo.
Die Verständigung mit den beiden Erdbewohnern funktionierte besser, als Kelwitt zu hoffen gewagt hatte, auch wenn Tik hin und wieder signalisierte, dass die Übersetzung nur näherungsweise möglich war. Die Perioden vor dem Bildübertragungsgerät waren sehr nützlich gewesen, nicht nur, weil sie dem Computer erlaubt hatten, die Sprache der Erdbewohner zu analysieren, sondern auch, weil er sich auf diesem Wege ein umfassendes Bild von deren Leben hatte machen können. Auch wenn er, wie er zugeben musste, vieles nicht verstanden hatte.
So hatte er gesehen, dass die Erdbewohner durchaus über Sternschiffe verfügten, und zwar über eine verwirrende Vielfalt davon. Auch Kontakte mit Bewohnern anderer Planeten hatte es durchaus schon gegeben, wenn auch Kelwitt keines der Wesen erkannt hatte, die gezeigt worden waren – was aber nichts heißen mochte, schließlich war er kein Sternfahrer.
So begriff er nicht ganz, was nach dem Gespräch über Jombuur und der Distanz zur Erde geschah. Eine unverkennbare Unruhe bemächtigte sich der beiden Erdbewohner. Der eine der beiden, den er vom Vortag kannte – S’briina -, stand auf, verließ den Raum und kehrte gleich darauf mit einem dicken Buch zurück, das er aufgeschlagen vor Kelwitt auf den Tisch legte.
»Dein Computer kann Sprache übersetzen«, sagte S’briina. »Kann er auch Schrift verstehen?«
»Tik?«, fragte Kelwitt. »Der Erdbewohner scheint uns seine Schrift beibringen zu wollen.«
»Das ist zu begrüßen«, ließ sich Tik vernehmen.
Kelwitt machte die irdische Geste der Zustimmung – ein relativ grobschlächtiges Auf-und-ab-Bewegen des Kopfes, das ihm nicht ganz leicht fiel – und sagte: »Dann sag ihnen ja.« Die nachfolgende Unterhaltung führte Tik im Grunde ohne ihn. Er war nur Zuschauer, als S’briina mit einer der grobknochigen Handextremitäten auf jeweils ein Zeichen deutete und etwas dazu erklärte. »Die Schrift entspricht der Struktur der Sprache recht gut«, erklärte Tik nach einer Weile. »Eine lineare Folge von Zeichen, die für die Laute stehen, aus denen die Worte zusammengesetzt sind. Keine übergreifenden Vernetzungen, wie etwa im Jombuuranischen. Das macht die Übersetzung einfach.«
Tik bediente sich wieder des Tricks, über das Nervensystem direkt auf seine Wahrnehmung einzuwirken. Kelwitt schaute eine Seite des Buches an und betrachtete die kleinen, in langen waagerechten Linien angeordneten Zeichen – doch gleich darauf, nämlich sobald Tik mit der Übersetzung der Seite fertig war, erblickte er auf derselben Seite den vertrauten Anblick jombuuranischer
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