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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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mussten sie ihm erst zeigen, aber dann war Kelwitt überaus angetan. Er nahm sich eine Schüssel Wasser mit ins Wohnzimmer und tauchte im Lauf des Abends immer wieder den Schwamm hinein, um ihn dann auf seinem Kopf langsam auszudrücken, was ihm sichtliches Behagen zu bereiten schien.
    »Das wäre ein Exportartikel für Jombuur«, meinte Wolfgang Mattek.
    Dann begann das Warten.
    Tik hatte den vereinbarten Flugplan des Mutterschiffs auf irdische Zeit umgerechnet und war zu dem Ergebnis gekommen, dass es an diesem Abend gegen halb zehn Uhr wieder im Sonnensystem ankommen würde. Unmittelbar danach würde der kleine Computer auf Kelwitts Schulter Funkkontakt mit dem Raumschiff aufnehmen. So, wie er es dargelegt hatte, war das ungeachtet der riesigen Entfernungen zwischen den Planeten so simpel wie telefonieren.
    Und dann würde man kommen, um Kelwitt abzuholen.
    Die Kerzen glommen, knisterten ab und zu. Die Uhr an der Wand tickte langsam vor sich hin. Zum ersten Mal überhaupt fiel ihnen auf, dass sie überhaupt ein Geräusch machte.
    »Tja«, machte Wolfgang Mattek und räusperte sich mehrmals, »mir fällt noch so manches ein, was ich die ganze Zeit fragen wollte …«
    Sabrina sah unglücklich drein.
    Thilo kaute das Ende des Lederriemchens weich, das er um den Hals trug; ein Geschenk Sybillas. Nora faltete geräuschvoll das benutzte Geschenkpapier zusammen. »Wie werdet ihr eigentlich regiert auf Jombuur? Ich meine, gibt es so etwas wie einen Präsidenten, einen König? Oder wie ist das organisiert?«
    Kelwitt fiel in seine gewohnte, filigrane Gestik zurück. »Das weiß ich nicht so genau«, meinte er. »Es gibt Ratsversammlungen, glaube ich, zu denen jeder Schwarm einen Vertreter entsendet. Der Donnerbuchtrat bestimmt dann wieder einen Vertreter für den Rat der Südküste, und immer so weiter.«
    »Direkte Demokratie also«, konstatierte Wolfgang Mattek. »Eine Räterepublik, sozusagen.«
    »Außerdem gibt es verschiedene Schwärme, die für bestimmte Dinge zuständig sind. Die Wächter. Die Wanderer. Die Untersten. Vor allem die Untersten sind wichtig; sie stellen die Regeln auf, machen die Gesetze, schlichten Streitigkeiten und so weiter.«
    »Die Untersten? Das klingt eher, als ob es die Obersten seien.«
    Kelwitt machte eine Geste, die sie inzwischen schon als Ausdruck der Verwunderung zu identifizieren gelernt hatten. »Sie heißen eigentlich Die Untersten Diener, weil alles andere aufbaut auf dem, was sie tun. So sagt man bei uns. Einer, der zu den Untersten geht, muss zuerst auf ihre Schule im Tiefland, und das fast doppelt so lange wie jemand, der zu den Sternfahrern geht.«
    »Hmm«, machte Mattek verwirrt.
    »Glaubt ihr«, schaltete sich Nora ein, »an ein höchstes Wesen? An ein Weiterleben nach dem Tod? Solche Dinge?«
    »Manche tun es«, erklärte Kelwitt langsam, »manche nicht. Ich weiß nicht, was ich selber glauben soll.«
    »Aber …«, begann Wolfgang Mattek, als seine Tochter sich nach hinten in die Sofakissen fallen ließ und einen gequälten Schrei losließ.
    »Oh, Mann!«, ächzte sie. »Er war jetzt eine geschlagene Woche da – ihr werdet’s nicht mehr in die letzten anderthalb Stunden packen, was ihr die ganze Zeit versäumt habt!«
    Also schwiegen sie wieder. Tickte die Uhr wieder. Mattek versuchte eine Verteidigung, dass er ja zu tun gehabt habe, das Silvestergeschäft und der Jahrtausendwechsel dazu, aber das kannten sie alle schon, und er glaubte sich selber kaum. Kelwitt hielt seine neuen Besitztümer auf dem Schoß, und sie redeten über dies und das. Die Zeiger schritten voran. Sie hatten einen Außerirdischen zu Gast gehabt, eine ganze Woche lang, und nun ging es zu Ende. Wenn es herauskommen sollte, würden sie in die Geschichtsbücher eingehen oder ins Gefängnis kommen oder beides. Für Wissenschaftler der ganzen Welt würde ihr Familienname zum Schimpfwort werden ob der vergebenen Chancen, ein wirkliches Lebewesen von einem anderen Stern zu untersuchen, zu erforschen, es der vollen Breitseite moderner Untersuchungsmethoden auszusetzen und dann Hunderte gelehrter Abhandlungen darüber verfassen zu können, ach was, Tausende, zehnmal mehr als über den mumifizierten Urmenschen aus den Ötztaler Alpen jedenfalls.
    Die Uhr tickte.
    Thilo stand auf und trat an die Tür zur Terrasse, schaute hinauf in den bewölkten Himmel, aber da war kein Leuchten jenseits der Wolken, kein lichtfunkelndes Ungetüm, das sich lautlos herabsenkte. Noch nicht.
    Nora Mattek holte noch einmal den

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