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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Festigkeit zu prüfen.
    Etwas schimmerte auf an der Stelle, an der er das Ding berührte, bläulich, breitete sich huschend aus wie Wellen auf einem Teich, der still gelegen hatte bis dahin, fühlte sich an wie eine feste Umhüllung aus unnachgiebiger Plastikfolie.
    Hase zuckte zurück, versuchte es noch einmal. Dasselbe wieder.
    »Was ist denn das?«, fragte Kaulquappe.
    »Das macht’s, seit’s da liegt!«, rief der Brunnenwirt, der immer noch beim Eingang stand.
    »Leuchte mal her«, sagte Hase. Im Schein der Taschenlampe wiederholte er die Berührung, und nun sahen sie beide, was es damit auf sich hatte: Wenige Millimeter über der Oberfläche des Geräts stoppte ein unsichtbares Etwas die Finger.
    »Wie im Film«, meinte Kaulquappe. »Ein Energiefeld oder so was.«
    Hase nickte. »Ja. Mit dem sich das Gerät abschirmt. Ganz schön clever.«
    »Und was machen wir jetzt?«
    Hermann Hase, Agent des Bundesnachrichtendienstes, Codename Ochsenfrosch, hob den Kopf und sah sich mit einem coolen James-Bond-Gesicht um. »Soll es sich doch abschirmen, wie es will. Die Zugtrosse ist lang genug. Wir legen sie um das ganze Ding herum und ziehen es heraus.«
    Die tranchierte Gans duftete, die Knödel dampften, das Rotkraut glänzte. Wie immer saß der Herr des Hauses am Kopfende der Tafel und verwaltete den Rotwein. Das andere Ende des Tisches war mit weißem Wachstuch abgedeckt, so dass Kelwitt sich in Ruhe dem Weihnachtsmahl widmen konnte, das er sich nach einigen Experimenten in der Küche zusammengestellt hatte: zwei rohe, gewaschene Kartoffeln, drei leicht gedünstete Möhren, dazu eine Hand voll gesalzener Gummibärchen.
    »Hat es dir bei uns denn gefallen, Kelwitt?«, fragte Wolfgang Mattek in das andächtige Schweigen hinein, das Klirren des Bestecks und die vielfachen Kaugeräusche, unter denen besonders die Kelwitts auffielen, die gleichzeitig wie das Schwirren von Insektenflügeln und das Krachen eines Nussknackers klangen.
    »Ja«, sagte Kelwitt kauend. Bei ihm war das nicht Unhöflichkeit; schließlich sprach er in Wirklichkeit mit der Stimmritze auf der Oberseite seines Kopfes.
    »Aber als Orakel hat dir diese Reise nicht viel genutzt, oder?«, fragte Sabrina.
    Kelwitt nickte. »Vielleicht ist das nicht so wichtig«, erklärte die metallene Stimme aus seiner Schulterspange, immer noch mit dem Akzent der Schwäbischen Alb.
    »Was wirst du machen, wenn du zu Hause bist?«
    »Ich weiß es noch nicht. Vielleicht bleibe ich in der Donnerbucht.«
    Wolfgang Mattek ließ sich noch ein Stück Gans geben und einen weiteren Knödel dazu. »Werden wir auf der Erde nun weiteren Besuch von deinem Volk bekommen? Jetzt, wo ihr uns entdeckt habt, meine ich.«
    Kelwitt ließ sich Zeit mit der Antwort. »Ich glaube nicht«, sagte er dann.
    »Hmm«, sagte Wolfgang Mattek.
    Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen. Weil das Tor zu dem Gartengrundstück nicht breit genug gewesen war, hatten sie den Zaun an die zehn Meter weit abgebaut, um den Lastwagen in Position bringen zu können.
    Die Zugtrosse reichte doch nicht so reichlich um das außerirdische Fluggerät herum, wie sie gedacht hatten, sondern nur ganz knapp, und sie hatten ordentlich manövrieren, zerren und ziehen müssen, ehe der Haken um das Drahtseil einschnappen konnte.
    Der Brunnenwirt hatte eine Weile dabeigestanden, natürlich ohne einen Finger zu ihrer Hilfe zu rühren, sich dann aber, als es anfing, dunkel und spät zu werden, verabschiedet. Sie müssten verstehen, immerhin sei Weihnachten, seine Frau und die Kinder warteten auf ihn.
    Weihnachten, genau. Deswegen gaffte das Dorf doch nicht. Im Gegenteil, die beiden Agenten schufteten unbeachtet in der anbrechenden Dämmerung und mussten mit ansehen, wie in den Häusern des Dorfes, das ihnen sozusagen den Rücken zuzukehren schien, die Lichter angingen, gelb und warm in der kühl-grauen Landschaft, und wie Vorhänge vorgezogen wurden vor diese gelben, warmen Lichtecke oder Rollläden herunterrasselten. Sie schwitzten, stapften mit ihren Stadtschuhen in zähem Dreck umher, schrien sich mit dampfenden Mündern Manövrieranweisungen zu, während dort drinnen wahrscheinlich große Kinderaugen auf Christbäume und brennende Wunderkerzen schauten.
    Unter der Berührung des Stahlseils funkelte das fremde Raumschiff auch wie eine Wunderkerze. Hase gab das Zeichen. »Los!«, schrie er dazu. »Noch mal!« Kaulquappe saß am Gaspedal, dazu reichte es auch ohne Lkw-Führerschein. Der Motor heulte auf, das Zugseil straffte sich zu

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