Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
einer gespannten Saite, und die Stollen der Räder fraßen sich in die zähe Grasnarbe. Ansonsten bewegte sich nichts.
    »Das Ding muss irgendwie festhängen!«, rief Kaulquappe aus dem Fenster der Fahrerkabine.
    »Das hängt nirgends fest! Du musst nur richtig drauftreten!«
    »Mach’ ich doch!« Und wirklich, der Motor heulte geradezu jammervoll.
    Hase stürmte nach vorn. »Lass mich mal«, forderte er, schwang sich auf den Fahrersitz, den Kaulquappe widerwillig räumte, und trat selber voll auf das Pedal. Nichts. Das Gerät rührte sich nicht von der Stelle.
    Er ließ den Motor sich beruhigen und machte dann die Zündung aus.
    »Ein Fluggerät kann doch unmöglich so schwer sein«, meinte Kaulquappe.
    »Vielleicht hat dieser alte Fuchs es irgendwie im Boden verankert«, überlegte Hase. »Festbetoniert oder so was. Schließlich hat er es ja auch hertransportiert, mit seinem ollen Traktor.«
    »Wir könnten versuchen, es mit dem Wagenheber anzuheben«, schlug Kaulquappe vor.
    »Gute Idee.«
    Der Wagenheber war ein wahres Monster, und wenn jemand behauptet hätte, es sei der Wagenheber eines Bundeswehrpanzers, die beiden hätten ihm sofort geglaubt. Zu zweit schleppten sie das Ding in den Gewölbekeller hinab und brachten es mit allerlei Flüchen, gestoßenen Zehen und Unterleghölzern so an, dass es das gedrungen daliegende Raumschiff trotz seiner Abschirmung fasste. Dann begannen sie zu kurbeln.
    Das ging, bis der Wagenheber voll ausgefahren war, dann ging nichts mehr. Die Hölzer knirschten und knackten ein bisschen, als sie beide mit aller Gewalt die große Kurbel noch einen Millimeter weiterpressten, aber das war es dann auch.
    »Ooh!«, stöhnte Kaulquappe. »Das wiegt ja hundert Tonnen!«
    Hase starrte die fremde Flugmaschine fassungslos an. »Es macht sich schwer!«, kam ihm die Erleuchtung. »Klar. So ein Ding muss ein künstliches Schwerkraftfeld haben, und das hat es jetzt umgepolt und macht sich so schwer damit, dass wir es nicht von der Stelle kriegen. Wahrscheinlich nicht mal, wenn wir mit den größten Hebekränen kommen, die es gibt.«
    »Was? Wozu soll das gut sein?«
    »Ist doch klar.« Hermann Hase waren die Zusammenhänge jetzt vollkommen klar. Noch nicht so ganz klar war ihm, ob das alles gut oder schlecht war für ihn und das Geld seiner Mutter. »Das Raumschiff hat sich abgeschirmt und krallt sich an den Platz, wo es liegt. Das kann nur heißen, es wartet darauf, dass sein Besitzer zurückkehrt.«
    Die Schallplatte mit den Weihnachtsliedern war der einzige regelmäßige Gast auf Wolfgang Matteks altmodischem Plattenspieler. Ansonsten ergab es sich höchstens ein, zwei Mal pro Jahr, dass er einmal eine seiner alten Jazzplatten aus dem Schrankfach kramte, in dem seine Sammlung vor sich hin staubte, und auflegte. An Heiligabend aber, wenn Kerzen und Wunderkerzen am Tannenbaum angezündet wurden, schmetterte stets ein großer Knabenchor sein Stille Nacht, Heilige Nacht. Bei Leise rieselt der Schnee umarmten sich alle – was diesmal zu feuchten Flecken auf der Kleidung führte, weil Kelwitt sich heftig daran beteiligte. Und bei Süßer die Glocken nie klingen ging es ans Auspacken der Geschenke.
    Kelwitt schien von der Musik nichts mitzubekommen. Offenbar war das Übersetzungsgerät nicht imstande, ihm einen Eindruck davon zu verschaffen, und Wolfgang Mattek zweifelte keinen Moment daran, dass der Frequenzgang seiner betagten Lautsprecherboxen weit davon entfernt war, den Ultraschallbereich zu berühren, in dem Kelwitt hörte.
    Die Wunderkerzen waren ihm zu grell. Er musste die Hände vor die Augen halten, bis die ersten beiden knisternd und Funken sprühend abgebrannt waren, und danach verzichteten sie darauf, die übrigen anzuzünden.
    Und dann die Geschenke. Sie hatten sich alle in den letzten Tagen irgendwann fortgestohlen, um jeweils ein Geschenk für Kelwitt zu besorgen, und Kelwitt war maßlos begeistert davon, etwas geschenkt zu bekommen; einen entsprechenden Brauch schien man auf Jombuur nicht zu kennen. Nora schenkte ihm ein kleines Büchlein, das Weisheiten aus drei Jahrtausenden versammelte, Wolfgang einen Bildband Die schönsten Naturlandschaften der Erde dessen Seiten aus gutem Kunstdruckpapier und nahezu feuchtigkeitsbeständig waren. Sabrina hatte ein aktuelles Familienfoto vergrößern lassen und wasserdicht in einen Rahmen aus durchsichtigem Plastik eingepasst, was ein sehr hübsches Erinnerungsstück abgab. Und Thilo schenkte Kelwitt einfach einen Schwamm. Wozu der gut war,

Weitere Kostenlose Bücher