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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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niedermachen konnte, der einen tief schlafen ließ und am nächsten Morgen keinen dicken Kopf machte.
    Nun war dieser nächste Morgen, und Mattek fiel ihm wieder ein. Mattek mit seinem schmutzigen kleinen Geheimnis. Er konnte nur absolut glasklare Freunde akzeptieren. Wenn sie schon Geheimnisse hüteten, dann bitte so, dass er erst gar nicht auf die Idee kam, sie hätten welche. So machte er es schließlich auch.
    Das Wohnzimmer sah schlimmer aus, als er es in Erinnerung hatte. Und die Putzfrau kam erst Montag wieder. In seiner Wahrnehmung existierte sie nur als dienstbarer Geist, der ihn abends eine strahlend saubere Wohnung vorfinden ließ, wo morgens noch ein Schweinestall gewesen war. Er durfte nicht vergessen, ihr das Weihnachtsgeld hinzulegen. Dienstbare Geister musste man sich mit großzügigen Gaben gewogen halten. Es machte ihm Mühe, von ihr als einer normalen Frau zu denken, obwohl er natürlich genau wusste, mit wem sie verheiratet war und wie viele Kinder sie hatte und für wen sie außerdem noch arbeitete.
    Doch was Mattek ihm verheimlichte, wusste er nicht. Schlimmer noch, er hatte nicht einmal eine Vorstellung, was es sein mochte. Er fegte ein paar Chipstüten vom Sessel auf den Boden, beschloss, später selber ein bisschen aufzuräumen, und fischte das Telefon unter dem achtlos darübergeworfenen Pullover hervor. Wobei er einen hässlichen Fleck an dem Teil bemerkte, verdammt, und das hatte zweitausend Mark gekostet! Er pfefferte es wütend auf die Couch und hackte Matteks Nummer in die Tastatur.
    Mattek ging selber ans Telefon, und er klang etwas bedrückt. Vielleicht hatte er Streit mit Nora, war es das? Lothar wünschte ihm jedenfalls erst einmal frohe Weihnachten, der Familie auch, das übliche Gesülze eben, aber Mattek schien sich ehrlich zu freuen.
    »Was ich noch sagen wollte …«, setzte Schiefer dann zum Angriff an. »Neulich, Mittwochabend, bei unserem Männerabend – ich hatte das Gefühl, du schleppst irgendein Problem mit dir herum.«
    Peng. Ruhe am anderen Ende erst mal. Erschrockene Ruhe. Dann, zögernd, verdammt schlecht geheuchelt: »Ein Problem? Was für ein Problem denn?«
    Lothar dachte nicht daran, auf dieses durchsichtige Ablenkungsmanöver einzusteigen. »Was auch immer es ist, ich bin überzeugt, es würde dir helfen, mal mit einem guten Freund darüber zu reden. Von Mann zu Mann. Das wollte ich dir nur anbieten.«
    Er konnte ihn förmlich schwitzen hören. »Lothar, wirklich, ich weiß nicht, wovon du redest.«
    »Wolfgang … Wie lange kennen wir uns jetzt schon? Du kannst mir nichts vormachen.« So lange auf den Busch klopfen, bis etwas darunter hervorkam. Das half fast immer.
    »Ich mache dir nichts vor.«
    »Doch. Und in diesem Moment schon wieder.«
    »Du irrst dich.«
    »Dann erzähl mir mal, seit wann du so begeistert in so miesen Kaschemmen herumhockst und alles toll findest wie letzten Mittwoch?«
    Pause. Dann, gequält: »Ich hab’s dir doch erklärt. Nora war dabei, Großputz zu machen …«
    »Und ich hab dir erklärt, dass ich kein Wort davon glaube!« Zack. Das saß. Lange Pause. Lothar triumphierte, grinste sein Spiegelbild in der Vitrine mit den Sportpokalen an. Jetzt musste er rausrücken damit, mit was auch immer …
    »Lothar?«, kam es da aus dem Hörer. »Du hast getrunken, nicht wahr?«
    »Was?« Hörte man das seiner Stimme noch an? Das war doch gestern gewesen, ewig lange her …! »He! Ich bin vollkommen klar, wenn du das meinst!«
    »Wir wollen das vergessen, einverstanden? Jetzt leg dich erst mal hin und schlaf noch eine Runde.«
    »Nichts da! Wolfgang, du sagst mir jetzt sofort …!« So kam der nicht davon, so nicht!
    »Wir treffen uns dann im neuen Jahr, wie abgemacht.«
    »Wolfgang!?«
    »Frohe Weihnachten.«
    »Wolfgang, verdammt noch mal!« Er sah den Hörer an. Aufgelegt! Der hatte einfach aufgelegt, war das zu fassen?
    Wolfgang Mattek hielt, nachdem er aufgelegt hatte, den Hörer noch auf der Gabel fest, als fürchte er, er könnte unversehens von selbst wieder in die Höhe schnellen. Er spürte sein Hemd schweißnass am Rücken kleben.
    »Lothar ahnt etwas«, erklärte er seiner Familie, die um ihn herum stand. »Ich weiß nicht, was und wieso, aber er hat Verdacht geschöpft.«
    »Wie kann das sein?«, fragte Nora.
    »Ich sagte doch, ich weiß es nicht.«
    »Du hast ihm wirklich nichts gesagt? Angedeutet?«
    »Nein, so glaub mir doch …«
    »Aber wie kommt er dann auf solche Ideen?«
    »Anscheinend hat es ihn stutzig gemacht, dass ich

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