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Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Titel: Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Parteiprominenz demnächst eröffnet werden würde. Gefährlich aber auch, weil er Ulbricht, den Kommunismus und überhaupt alles, was damit zusammenhing, abgrundtief hasste. Nicht zuletzt deswegen war er zum Verräter geworden, an einer Sache, die vor noch nicht allzu langer Zeit sein Lebensinhalt gewesen war. Jens-Uwe Trebitsch, in Moskau geborener Sohn einer deutschen Emigrantin aus den Reihen der KPD, umklammerte das Geländer, welches ihn von der sanft gewellten Oberfläche des Döllnsees trennte, und blickte sich belustigt um. Nur noch ein paar Stunden, allenfalls Tage, dann war es so weit. Dann würde es diesen Salon-Kommunisten an den Kragen gehen.
    Schwer vorstellbar, dass er selbst einmal an diese Möchtegern-Wohltäter geglaubt hatte. Kaum zu fassen, aber dennoch wahr. Schuld daran war vor allem seine Mutter gewesen, die nichts unversucht gelassen hatte, ihn auf die Leninschule in Moskau zu schicken. Damals, unmittelbar nach dem deutschen Einmarsch, war das schon ein kleines Kunststück gewesen, wobei er sich im Nachhinein fragte, wie so etwas überhaupt möglich war. Vor gut einem Jahr, als seine Mutter im Sterben lag, hatte er schließlich die Antwort bekommen. Gerade sie, Kommunistin durch und durch, hatte ihn belogen. Sein ganzes verdammtes Leben lang. Ausgerechnet sie, die ihm stets eingetrichtert hatte, wie wichtig Aufrichtigkeit war. Das Eingeständnis, sein Vater sei gar kein Deutscher und schon gar nicht bei einem Unfall ums Leben gekommen, hatte seine ganze Welt zum Einsturz gebracht. Erst recht, als er erfahren hatte, wer er wirklich war. Nämlich irgendein hohes Tier aus dem ZK, dessen Name ihm seine Mutter nicht einmal auf dem Sterbebett hatte preisgeben wollen. Nach Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft habe er nichts mehr von ihr wissen wollen, hatte sie ihm unter Tränen gebeichtet, weder von ihr, seiner Geliebten, noch von ihm, dem leiblichen Sohn. Kurz darauf war seine Mutter gestorben, linientreu bis in den Tod.
    Von da an war es stetig mit ihm bergab gegangen. Buchstäblich alles, was seinem Leben bislang einen Sinn gegeben hatte, war ihm aus den Händen geglitten. Er hatte gelernt zu hassen, aus vollem Herzen. Nicht etwa nur die Welt, in der er lebte, sondern vor allen Dingen sich selbst. Jens-Uwe Trebitsch, Vorzeigekader und Parteiaktivist, war seiner selbst überdrüssig geworden. Dabei war es allerdings nicht geblieben. Knapp ein Jahr zuvor, während der Feiern anlässlich des 11. Jahrestages der verhassten Republik, hatte sich im Café Warschau an der Stalinallee ein Mann zu ihm an den Tisch gesetzt und sich als Angehöriger der bulgarischen Mission ausgegeben. Abgekauft hatte er ihm das natürlich nicht, obwohl er schon einen in der Krone gehabt hatte. Im weiteren Verlauf des feuchtfröhlichen Abends war ihm dann aber ziemlich schnell klar geworden, mit welcher Art Zeitgenosse er sich da eingelassen hatte. Keineswegs schockiert, hatte er den Versuch, ihn als Agenten für die CIA anzuwerben, wie eine Befreiung empfunden. Als ein ideales Mittel, sich an allem, was ihn zutiefst abstieß, zu rächen. Reue hatte er dabei keine empfunden, höchstens Befriedigung. Jetzt war er es, der anderen Schaden zufügte, in einem Ausmaß, wie es ihm niemand zugetraut hätte. Er hatte einfach alles verraten, was er auf Lager gehabt hatte, und das war nicht gerade wenig gewesen. Der Zufall wollte es, dass nämlich ausgerechnet er von Ulbricht zum Sonderkurier auserkoren worden war. Aus Angst, abgehört zu werden, war dieser nämlich auf die Schnapsidee gekommen, den sowjetischen Botschafter mithilfe schriftlicher Lageberichte über den Fortgang der Vorbereitungen zur Abriegelung des Ostsektors von Berlin auf dem Laufenden zu halten. Ein verhängnisvoller Fehler, fast so groß wie der, ausgerechnet ihn, Jens-Uwe Trebitsch, mit der Aufgabe zu betrauen, die Lageberichte in die sowjetische Botschaft Unter den Linden zu befördern und sie dem Statthalter Moskaus persönlich zu übergeben. Er hatte nicht einen Moment gezögert und sämtliche Dokumente, die man ihm anvertraut hatte, postwendend fotografiert. Um sie anschließend treu und brav an Perwuchin zu übergeben. Gerade so, als sei nichts gewesen. Je reicher die Ausbeute, umso erfreuter war sein Führungsoffizier gewesen, eben jener Mann, der ihn damals angeworben hatte. Wie in Geheimdienstkreisen üblich, hatte Trebitsch zunächst keinen blassen Schimmer gehabt, wie er hieß oder woher er kam. Erst viel später, bei einem konspirativen Treffen auf dem

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