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Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Titel: Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Auch jetzt, knapp zehn Minuten nachdem Trebitschs Leichnam in aller Eile abtransportiert worden war, konnte sich Ulbricht nicht beruhigen und stiefelte ruhelos auf und ab. Nicht so der immer noch anwesende Oberleutnant der DDR-Staatssicherheit, in fast allem das exakte Gegenteil zur Nummer eins der SED. Mischa Bartosz, 38 Jahre, mittelgroß, gut aussehend und äußerst charmant, war ein Mann, auf den Ulbricht bauen konnte. Er sprach perfekt Russisch, hatte wie er während des Krieges in der Sowjetunion gelebt, dort Flugzeugbau studiert und nebenbei als Redakteur gearbeitet. Bartosz war der Mann für schwierige Fälle und selbst innerhalb des MfS nur den Wenigsten bekannt. Er war der Mann ohne Gesicht, loyal, effizient, kaltblütig wie kaum ein anderer.
    Und völlig skrupellos.
    »Was nun?« Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, stand Ulbricht am Fenster und blickte mit verkniffener Miene auf die Terrasse hinaus, wo sich die versammelte Parteiprominenz gerade anschickte, auf Wodka, russischen Kaviar und Krimsekt umzusteigen. Getreu seiner Natur erweckte dies sein spontanes Unbehagen, doch da er andere Sorgen hatte, schluckte er seinen Unmut hinunter, wandte sich an Bartosz und krächzte: »Schöne Bescherung, was?«
    Bartosz, Bonvivant, Liebling der Frauen und den schönen Dingen des Lebens durchaus zugetan, nahm es mit Gelassenheit, was Ulbricht mit einem verdrossenen Stirnrunzeln registrierte. »Wenngleich nicht ganz so schlimm, Genosse Ulbricht, wie es auf den ersten Blick aussehen mag.«
    »Möchte wissen, woher Sie Ihren Optimismus nehmen!«, schnauzte Ulbricht, auf Intellektuelle nicht unbedingt gut zu sprechen, seinen Gesprächspartner an. In Anbetracht der Tatsache, dass er auf ihn angewiesen war, mäßigte er jedoch seinen Ton und drängte: »Die Zeit läuft uns davon, Bartosz, das wissen Sie so gut wie ich. Stellen Sie sich doch bloß mal vor, die Amerikaner bekommen Wind von der Sache. Eine Mauer quer durch Berlin, direkt vor ihrer Nase. Was glauben Sie, was dann los sein wird.« Wie immer, wenn er sich über etwas aufregte, überschlug sich Ulbrichts Stimme, wovon Bartosz aber keinerlei Notiz zu nehmen schien. »Ausgerechnet jetzt, kurz vor dem Ziel. Alles läuft wie geplant. Und dann kommt uns dieser dreckige Verräter dazwischen. Schlimmer hätte es uns wirklich nicht treffen können.«
    »In der Tat, Genosse Generalsekretär. Wenngleich wir nicht wissen, wie groß der Schaden ist, den Trebitsch …«
    »Wie groß? Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt, Bartosz!«, giftete Ulbricht und fuchtelte wie ein Derwisch mit den Armen herum. »Das kann man sich ja wohl an fünf Fingern abzählen.«
    »Mag sein, Genosse Generalsekretär. Wobei ich mich frage, weshalb die Amerikaner dann immer noch nicht reagiert haben.« Um die größtmögliche Wirkung zu erzielen, ließ Bartosz einige Sekunden verstreichen. Dann sagte er: »Also, wenn Sie mich fragen: Irgendwie habe ich das Gefühl, die Amerikaner haben nicht die leiseste Ahnung, was ihnen blüht. Sonst hätten sie schon lange etwas unternommen. Mit Verlaub, Genosse – etwas Besseres, als unser Vorhaben zu verhindern, könnte denen doch gar nicht passieren.« Bartosz warf Ulbricht einen flüchtigen Seitenblick zu. »Soweit ich informiert bin, läuft jedoch alles nach Plan. Keinerlei Anzeichen für Truppenverlegungen, militärische Operationen oder Präventivmaßnahmen jedweder Art.«
    »Nehmen wir einmal an, Sie haben recht, Bartosz – wie erklären Sie sich dann, dass uns ein CIA-Agent nach allen Regeln der Kunst aufs Kreuz legt, es aber unterlässt, drüben im Westen Alarm zu schlagen? Können Sie mir das erklären?«
    Die Miene von Bartosz verdüsterte sich, und sein Markenzeichen, das Dauerlächeln, verschwand aus seinem Gesicht. »Zum gegenwärtigen Zeitpunkt muss ich da leider passen, Genosse.«
    »Ich hoffe, Sie wissen, welche Konsequenzen das für uns alle haben wird«, knurrte Ulbricht, dem die Ausgelassenheit, welche seine Gäste an den Tag legten, allmählich auf den Magen zu schlagen begann. »Und für Sie.«
    »Natürlich weiß ich das, Herr Generalsekretär, deswegen habe ich ja auch ein paar Erkundigungen eingezogen.«
    »Reichlich spät, finden Sie nicht auch?«
    Nicht gewillt, auf Ulbrichts Seitenhieb einzugehen, ließ es Bartosz bei einem Achselzucken bewenden, kramte einen Notizblock aus dem Jackett und spazierte zur Tür, um das Licht anzuknipsen. »Um Ihre Geduld nicht unnötig zu strapazieren, nur das Wichtigste.« Bartosz räusperte

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