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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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zurückgekrochen kam, war er voller Reue. Aber er vergaß schnell.«
    »Ich glaube Ihnen nicht. Henrik war nicht so.«
    »Wie er war oder nicht war, darüber werden wir uns nicht einigen. Ich liebte ihn, Sie waren seine Mutter.«
    »Aber hat er Sie nicht angesteckt?«
    »Nein.«
    »Verzeihen Sie bitte, daß ich Sie beschuldigt habe, aber es fällt mir schwer zu glauben, daß er so gelebt hat, wie Sie es darstellen.«
    »Er ist nicht der erste weiße Mann, der in ein armes afrikanisches Land kommt und sich auf die schwarzen Frauen stürzt. Nichts ist so wichtig für einen weißen Mann, wie zwischen die Beine einer schwarzen Frau zu kommen. Für einen schwarzen Mann ist es ebenso wichtig, mit einer weißen Frau zu schlafen. Sie können in dieser Stadt tausend schwarze Männer finden, die bereit sind, ihr Dasein dafür zu opfern, sich auf Sie zu legen.«
    »Sie übertreiben.«
    »Die Wahrheit findet sich zuweilen nur unter den Übertreibungen.«
    »Es ist spät. Ich bin müde.«
    »Für mich ist es noch früh. Ich kann erst gegen Morgen nach Hause gehen.«
    Lucinda stand auf.
    »Ich bringe Sie zum Ausgang und sorge dafür, daß Sie ein Taxi bekommen. Fahren Sie in Ihr Hotel, schlafen Sie aus. Morgen können wir uns wieder treffen.«
    Lucinda führte Louise zu einem der Tore und wechselte ein paar Worte mit der Wache. Ein Mann mit Wagenschlüsseln in der Hand tauchte aus dem Schatten auf.
    »Er fährt Sie nach Hause.«
    »Um welche Zeit morgen?«
    Lucinda hatte jedoch schon kehrtgemacht und war gegangen. Louise sah sie zwischen den Schatten verschwinden.
    Das Taxi roch nach Benzin. Louise versuchte, sich Henrik nicht zwischen den mageren Mädchen mit den kurzen Röcken und den harten Gesichtern vorzustellen.
    Als sie ins Hotel zurückkam, trank sie zwei Glas Wein an der Bar. Wieder sah sie die weißen Südafrikaner, mit denen sie vom Flugplatz ins Hotel gefahren war.
    Sie haßte sie.
    Die Klimaanlage rauschte in der Dunkelheit, als sie sich hingelegt und das Licht gelöscht hatte. Sie weinte sich in den Schlaf wie ein Kind. Im Traum kehrte sie von der verbrannten afrikanischen Erde zu den weißen Ebenen in Härjedalen zurück, zu den großen Wäldern, dem Schweigen und zu ihrem Vater, der sie mit einem Ausdruck von Verwunderung und Stolz betrachtete.
    Am Morgen gab eine junge Frau an der Rezeption Louise die Auskunft, daß die schwedische Botschaft einer der nächsten Nachbarn des Hotels sei. Wenn sie an den Straßenhändlern und einer Tankstelle vorbeiginge, befinde sie sich vor dem braungelben Gebäude der Botschaft.
    »Gestern bin ich beraubt worden, als ich in die andere Richtung ging und in eine Seitenstraße einbog.«
    Das Mädchen hinter dem Empfangspult schüttelte mitleidig den Kopf. »Es kommt leider viel zu oft vor. Die Menschen sind arm, sie lauern den Hotelgästen auf.«
    »Ich will nicht noch einmal überfallen werden.«
    »Auf dem kurzen Weg zur Botschaft wird Ihnen nichts passieren. Sind Sie verletzt worden?«
    »Ich bin nicht geschlagen worden. Aber sie haben mir ein Messer ins Gesicht gedrückt, hier, unter dem Auge.«
    »Ich sehe die Stelle. Es tut mir sehr leid.«
    »Davon wird nichts besser.«
    »Was ist Ihnen gestohlen worden?«
    »Meine Handtasche. Aber ich hatte das meiste hier im Hotel gelassen, sie haben etwas Geld bekommen. Keinen Paß, kein Handy, keine Kreditkarten. Meinen braunen Kamm, falls sie den gebrauchen können.«
    Louise frühstückte auf der Terrasse und erlebte ein kurzes und verwirrendes Gefühl von Wohlbefinden. Als wäre nichts geschehen.
    Aber Henrik war tot, Aron verschwunden, es waren Gestalten im Dunkel gewesen, Menschen, die Aron und sie aus irgendeinem Grund beschatteten.
    Auf dem Weg zur schwedischen Botschaft drehte sie sich immer wieder um. Ein großes Stück schwedisches Eisenerz stand als Skulptur außerhalb des grüngestrichenen Zauns. Ein Wachmann in Uniform öffnete ihr.
    Im Empfangsraum hing das übliche offizielle Porträt des Königspaars. Auf einem Sofa saßen zwei Männer und unterhielten sich auf schwedisch über »die Wassernot in der Niassa-Provinz und die notwendigen Maßnahmen, sobald die Mittel bewilligt sind«. Sie dachte flüchtig und mit Trauer, daß sie den Kontakt mit der Arbeit in der Argolis vollkommen verloren hatte. Was hatte sie sich eigentlich vorgestellt, als sie in jener Nacht vor dem Haus gestanden und geraucht hatte, während Mitsos' Hunde bellten ? Das Furchtbare, das sie erwartete, hatte keine Warnung vorausgeschickt.
    Der Mensch, der

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