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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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setzte sie am Eingang zu einer Art Vergnügungspark ab. Sie bezahlte Eintritt, wiederum unsicher, ob ihr zuviel abgenommen wurde, und trat in einen Wirrwarr von kleinen Restaurants und Bars ein. Ein verfallenes Karussell mit Pferden, denen größtenteils die Köpfe fehlten, stand verlassen da, ein Riesenrad mit verrosteten Körben hatte schon vor langer Zeit aufgehört, sich zu drehen. Überall Musik, Schatten, schwach erleuchtete Räume, in denen Menschen über Flaschen und Gläsern hockten. Junge schwarze Mädchen in Miniröcken, mit fast entblößten Brüsten, schwankten in hochhackigen Schuhen vorbei. Die gefährlichen Frauen auf der Jagd nach den ungefährlichen Männern.
    Louise suchte nach der Bar mit dem Namen Malocura. Sie verlor im Gewimmel die Orientierung, kam an einen Punkt, an dem sie eben schon gewesen war, und mußte von vorn beginnen. Hin und wieder zuckte sie zusammen, als hatten die Hände der Räuber sie von neuem gepackt. In ihrer Einbildung schienen überall Messer zu blitzen. Sie betrat eine Bar, die sich von anderen dadurch unterschied, daß sie hell erleuchtet war. Sie trank ein Bier und ein Glas Wodka. Zu ihrer Verwunderung saßen zwei der Südafrikaner, mit denen sie vom Flugplatz zum Hotel gefahren war, in einer Ecke. Beide, der Mann und die Frau, waren betrunken. Er schlug immer wieder mit der Hand gegen ihre Schulter, als wollte er, daß sie umfiele.
    Es war bereits nach Mitternacht. Louise suchte weiter nach der Malocura. Endlich war sie am richtigen Ort. Die Bar hieß tatsächlich Malocura - so stand es in Druckbuchstaben auf einem Pappschild - und lag in einem Winkel des Geländes an der Außenmauer. Louise blickte ins Dunkel, bevor sie sich an einen Tisch setzte.
    Lucinda stand am Tresen und stellte Bierflaschen und Gläser auf ein Tablett. Sie war schlanker, als Louise sie sich vorgestellt hatte. Aber sie war es, daran bestand kein Zweifel.
    Lucinda ging zu einem Tisch und leerte ihr Tablett.
    Dann begegneten sich ihre Augen. Louise hob die Hand.
    Lucinda trat an ihren Tisch. »Möchten Sie etwas essen?«
    »Ich möchte nur ein Glas Wein.«
    »Wir haben keinen Wein. Nur Bier.«
    »Kaffee?«
    »Niemand hier fragt nach Kaffee.«
    »Dann nehme ich ein Bier.«
    Lucinda kam zurück und stellte das Glas und die braune Flasche vor sie hin.
    »Ich kenne Ihren Namen. Sie heißen Lucinda.«
    »Wer sind Sie?«
    »Ich bin die Mutter von Henrik.«
    Da wurde ihr klar, was sie vergessen hatte. Lucinda wußte nichts von Henriks Tod. Jetzt war es zu spät. Sie konnte nicht zurück, sie hatte keinen Ausweg mehr. »Ich bin hier, um Ihnen zu sagen, daß Henrik tot ist. Und ich bin hier, um Sie zu fragen, ob Sie wissen, warum.«
    Lucinda stand wie versteinert. Ihre Augen waren sehr tief, ihre Lippen zusammengepreßt.
    »Ich heiße Louise. Aber das hat er vielleicht erzählt?«
    Hat er jemals gesagt, daß er eine Mutter hatte? Hat er es gesagt? Oder bin ich dir genauso fremd wie du mir?
    L ucinda band ihre Schürze ab, sprach hastig ein paar Worte mit dem Mann hinter der Theke, der die Aufsicht zu haben schien, und nahm Louise danach mit in eine andere, schwach erleuchtete und versteckte Bar, wo junge Frauen an den Wänden aufgereiht saßen. Sie setzten sich an einen Tisch, und Luanda bestellte Bier, ohne zu fragen. Es war vollkommen still im Raum. Weder ein Radio noch ein CD-Spieler lief. Die stark geschminkten Frauen sprachen nicht miteinander. Entweder saßen sie schweigend da und rauchten, betrachteten ihre leblosen Gesichter in kleinen Taschenspiegeln, oder sie wippten unruhig mit den Beinen. Louise sah, daß manche von ihnen sehr jung waren, dreizehn, vielleicht vierzehn Jahre alt, nicht mehr. Ihre Röcke waren kurz, verbargen fast nichts, die Absätze ihrer Schuhe waren spitz und hoch, die Brüste nahezu entblößt. Sie sind geschminkt wie Leichen, dachte Louise. Leichen, die begraben, vielleicht mumifiziert werden sollen. Aber keine Prostituierten werden der Nachwelt erhalten. Sie verfaulen hinter gnadenlos geschminkten Gesichtern.
    Zwei Flaschen kamen auf den Tisch, Gläser und Servietten. Lucinda beugte sich zu Louise vor. Ihre Augen waren gerötet. »Sagen Sie das noch einmal. Langsam. Erzählen Sie, was passiert ist.«
    Louise konnte bei Lucinda keine Verstellung bemerken. Ihr Gesicht, auf dem der Schweiß glänzte, war vollkommen offen. Ihre Erschütterung über die Nachricht, die sie völlig unvorbereitet hatte hören müssen, war eindeutig.
    »Ich habe Henrik tot in seiner Wohnung in

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