Kennedys Hirn
dort mit der Zigarette in der Hand in der Dunkelheit gestanden hatte, existierte nicht mehr.
Bei der Anmeldung bat sie darum, mit Lars Häkansson sprechen zu können. Die Frau, die die Anmeldung entgegennahm, wollte wissen, in welcher Angelegenheit sie kam.
»Er kannte meinen Sohn. Sagen Sie nur, Henriks Mutter sei hier. Das reicht bestimmt.«
Die Frau führte komplizierte Tastenmanöver auf der Telefonhausanlage durch, bevor sie den Mann mit Namen Hä-kansson zu fassen bekam.
»Er kommt herunter.«
Die beiden Männer, die über die Wassernot gesprochen hatten, waren verschwunden. Sie setzte sich auf das dunkelblaue Sofa und wartete.
Ein kleiner Mann mit schütterem Haar und von zuviel sorglosem Aufenthalt an der Sonne verbranntem Gesicht trat durch die Glastür. Er trug einen Anzug. Er kam auf sie zu, und sie spürte sofort, daß er reserviert war. »Sie sind also Henrik Cantors Mutter?«
»Ja.«
»Leider muß ich Sie bitten, sich auszuweisen. In diesen Zeiten müssen wir vorsichtig sein. Die Terroristen haben wohl kaum die Absicht, unsere Häuser und Wohnungen in die Luft zu sprengen, doch die Sicherheitsvorschriften des Außenministeriums sind verschärft worden. Ich kann niemanden mit durch diese Glastür nehmen, über dessen Identität ich mir nicht vollkommen sicher bin.«
Louise dachte an ihren Paß und den Ausweis, die im Sicherheitsfach ihres Hotelzimmers lagen.
»Ich habe keinen Paß bei mir.«
»Dann müssen wir leider hier in der Rezeption bleiben.«
Sie setzten sich. Sie war verwundert über seine weiterhin reservierte Haltung, durch die sie sich gekränkt fühlte.
»Könnten wir nicht der Einfachheit halber davon ausgehen, daß ich die bin, für die ich mich ausgebe?«
»Natürlich, ich bedaure es, daß die Welt aussieht, wie sie aussieht.«
»Henrik ist tot.«
Er schwieg. Sie wartete.
»Was ist passiert?«
»Ich habe ihn tot in seinem Bett in Stockholm gefunden.«
»Ich dachte, er lebte in Barcelona?«
Vorsichtig jetzt, dachte Louise. Er weiß etwas, was du nicht weißt.
»Bevor er starb, hatte ich nicht einmal eine Ahnung, daß er eine Wohnung in Barcelona hatte. Ich bin hierhergekommen, weil ich versuchen will zu verstehen. Haben Sie Henrik getroffen, wenn er hier war?« »Wir haben uns kennengelernt. Er muß von mir gesprochen haben.«
»Nie. Dagegen hat mir eine Schwarze mit Namen Lucinda von Ihnen erzählt.«
»Lucinda?«
»Sie arbeitet in einer Bar, der Malocura.«
Louise zog das Foto hervor und zeigte es ihm.
»Ich kenne sie. Aber sie heißt nicht Lucinda. Sie heißt Julieta.«
»Vielleicht hat sie zwei Namen.«
Lars Häkansson stand vom Sofa auf. »Ich verstoße jetzt gegen alle Sicherheitsvorschriften. Wir gehen hinauf in mein Büro. Da ist es zwar kaum angenehmer, aber nicht ganz so heiß.«
Die Fenster seines Zimmers zeigten auf den Indischen Ozean. Ein paar Fischerboote mit dreieckigen Segeln waren auf dem Weg in die Bucht. Er hatte ihr Kaffee angeboten, und sie hatte genickt.
Er kam mit zwei Tassen zurück. Es waren weiße Tassen mit blau-gelben Flaggen.
»Ich habe Ihnen noch gar nicht mein Beileid ausgesprochen. Die Nachricht ist auch für mich ein harter Schlag. Ich mochte Henrik sehr. Mehrmals habe ich gedacht, daß ich mir einen Sohn wie ihn gewünscht hatte.«
»Haben Sie keine Kinder?«
»Vier Töchter aus einer früheren Ehe. Ein Quartett junger Frauen, von denen die Welt noch ihren Nutzen haben wird. Aber keinen Sohn.«
Gedankenverloren tat er ein Stück Zucker in die Tasse und rührte mit einem Bleistift um. »Was ist denn geschehen?«
»Die Obduktion ergab eine hohe Konzentration von Schlafmittel in seinem Körper, was bedeuten würde, daß er Selbstmord begangen hat.«
Er sah sie fragend an. »Kann das wirklich stimmen?« »Nein. Deshalb suche ich nach der wirklichen Ursache. Und ich glaube, daß der Ausgangspunkt hier ist, was immer auch geschehen sein mag.« »In Maputo?«
»Ich weiß es nicht. In diesem Land. Auf diesem Kontinent. Ich hoffe, daß Sie mir helfen können, eine Antwort zu finden.«
Lars Häkansson setzte die Kaffeetasse ab und schaute auf seine Uhr. »Wo wohnen Sie?«
»Bis auf weiteres hier in der Nachbarschaft der Botschaft.« »Das Polana ist ein gutes Hotel. Aber teuer. Während des Zweiten Weltkriegs wimmelte es dort von deutschen und japanischen Spionen. Heute wimmelt es von untätigen Südafrikanern.«
»Ich habe vor, das Hotel zu wechseln.«
»Ich wohne allein und habe viel Platz. Sie können bei mir wohnen. Genau
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