Kennedys Hirn
Ahnung.«
»Sind Sie den ganzen Weg hierhergekommen, um mit mir zu sprechen?« »Ich muß versuchen zu verstehen, was geschehen ist. Kannte er hier andere Menschen außer Ihnen?«
»Henrik kannte viele Menschen.«
»Das ist nicht das gleiche, wie Freunde zu haben.«
»Er hatte mich. Und Eusebio.«
»Wen?«
»Er nannte ihn so, Eusebio. Ein Angestellter an der schwedischen Botschaft, der oft sonntags am Strand Fußball mitspielte. Ein sehr plumper Mann, der überhaupt nicht an den Fußballspieler erinnert. Henrik wohnte manchmal bei ihm.«
»Ich dachte, er wäre mit Ihnen zusammengewesen?«
»Ich wohne bei meinen Eltern und Geschwistern. Er konnte dort nicht schlafen. Manchmal hat er von jemandem an der Botschaft, der verreist war, eine Wohnung geliehen. Eusebio hat ihm geholfen.«
»Wissen Sie seinen richtigen Namen?«
»Lars Häkansson. Ob ich es richtig ausspreche, weiß ich nicht.«
»Haben Sie dort zusammen mit Henrik gewohnt?«
»Ich habe ihn geliebt. Ich habe davon geträumt, ihn zu heiraten. Aber ich habe nie mit ihm in Eusebios Haus gewohnt.«
»Haben Sie davon gesprochen? Zu heiraten?«
»Nie. Ich habe nur davon geträumt.«
»Wie sind Sie sich begegnet?«
»Wie man sich immer begegnet, durch einen Zufall. Man geht auf einer Straße und biegt um eine Ecke. Alles im Leben dreht sich um das Unbekannte, das hinter einer Straßenecke wartet.«
»An welcher Straßenecke sind Sie einander begegnet?«
Lucinda schüttelte den Kopf. Louise sah, daß sie unruhig wurde.
»Ich muß zurück in die Bar. Morgen können wir sprechen. Wo wohnen Sie?«
»Im Hotel Polana.«
Lucinda schnitt eine demonstrative Grimasse. »Da hätte Henrik nie gewohnt. Dafür hatte er kein Geld.«
Genau das hatte er, dachte Louise. Auch Lucinda hat er nicht alles erzählt.
»Es ist teuer«, erwiderte sie. »Aber meine Reise war nicht geplant, wie Sie vielleicht verstehen. Ich werde das Hotel wechseln.«
»Wie lange ist es her, daß er starb?«
»Einige Wochen.«
»Ich muß genau den Tag wissen.«
»Der 17. September.«
Lucinda stand auf.
»Noch nicht«, sagte Louise. »Es gibt eine Sache, die ich Ihnen noch nicht erzählt habe.«
Lucinda setzte sich wieder. Die Bedienung kam zu ihnen. Lucinda bezahlte. Louise holte Geld aus ihrer Jackentasche, aber Lucinda schüttelte fast feindlich den Kopf. Der Mann kehrte zum Tresen und seinem Daumennagel zurück.
Louise sammelte sich, um es über sich zu bringen, die unvermeidlichen Worte zu sagen.
»Henrik war krank. Er war HIV-positiv.«
Lucinda blieb ruhig. Sie wartete darauf, daß Louise noch mehr sagen würde.
»Verstehen Sie nicht, was ich gesagt habe?«
»Ich habe gehört, was Sie gesagt haben.«
»Waren Sie es, die ihn angesteckt hat?«
Lucindas Gesicht verlor jeden Ausdruck. Sie blickte Louise an, wie aus großer Entfernung.
»Bevor ich über etwas anderes reden kann, muß ich eine Antwort auf die Frage bekommen.«
Lucindas Gesicht war immer noch ausdruckslos. Ihre Augen lagen im Halbschatten. Ihre Stimme war vollkommen ruhig, als sie antwortete. Aber Louise hatte von Aron gelernt, daß Zorn sich unmittelbar unter der Oberfläche verbergen konnte, nicht zuletzt bei Menschen, bei denen man es am wenigsten ahnte.
»Ich hatte nicht die Absicht, Sie zu verletzen.«
»Bei Henrik habe ich nie das entdeckt, was ich bei Ihnen sehe. Sie verachten schwarze Menschen. Vielleicht unbewußt, aber es ist da. Sie meinen, unsere eigene Schwäche sei dafür verantwortlich, daß das Elend des Kontinents so groß ist. Genau wie die meisten anderen glauben Sie, daß es das wichtigste ist, zu wissen, wie wir sterben. Wie wir leben, darum brauchen Sie sich nicht zu kümmern. Eine schwache Veränderung des Windes, das ist das elende Leben der Afrikaner. Ich spüre diese Verachtung bei Ihnen, aber bei Henrik habe ich sie nie gespürt. «
»Sie können mir nicht vorwerfen, rassistisch zu sein.«
»Ob ein solcher Vorwurf berechtigt ist oder nicht, entscheiden Sie selbst. Wenn Sie es wissen wollen: Ich habe Henrik nicht angesteckt.«
»Wie hat er die Krankheit dann bekommen?«
»Er hat herumgehurt. Die Mädchen, die Sie eben gesehen haben, können sehr wohl mit ihm zusammengewesen sein.«
»Sie haben eben gesagt, die Mädchen seien nicht infiziert.«
»Es reicht, wenn eine es ist. Er hat nicht aufgepaßt. Er hat nicht immer ein Kondom benutzt.«
»Herr Gott!«
»Er hat es vergessen, wenn er betrunken war und von Frau zu Frau ging. Wenn er dann nach seinen Ausflügen zu mir
Weitere Kostenlose Bücher