Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
unterhielten uns vielleicht eine Stunde. Ich mochte ihn. Ich schlug ihm vor, in europäischen Zeitungen darüber zu schreiben, aber er antwortete, es sei noch zu früh. Noch nicht. Daran erinnere ich mich genau.«
    »Warum sagte er das?«
    »Er wollte eine Spur verfolgen, aber er sagte nicht, welche. Ich spürte, daß er nicht darüber sprechen wollte. Er wußte vielleicht noch nicht genug. Dann trennten wir uns. Ich lud ihn ein, mich wieder zu besuchen. Doch das hat er nicht getan.«
    Er warf einen raschen Blick auf seine Uhr. »Ich muß gehen.«
    Sie versuchte, ihn zurückzuhalten. »Jemand hat ihn getötet. Ich muß herausfinden, wer es war und was die Ursache dafür war.«
    »Er sagte nichts, was ich nicht auch gesagt habe. Wonach er suchte, weiß ich nicht. Auch wenn ich es ahne.«
    »Was ahnen Sie?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ahnungen. Nichts anderes. Vielleicht wurde ihm das, was er wußte, zu schwer, um es zu tragen. Menschen können daran sterben, wenn sie zuviel über das Leiden anderer wissen.«
    »Sie sagten, er habe eine Spur verfolgt?«
    »Ich glaube, es war in ihm. Ein Gedanke, der eine Spur war. Ich verstand nicht ganz, was er meinte. Die Verbindung, nach der er suchte, war äußerst unklar. Er sprach von Drogenschmuggel. Große Umladungen von Heroin von den Mohnkulturen in Afghanistan. Schiffe, die draußen vor der Küste von Mozambique auf Reede lagen, schnelle Motorboote, die das Heroin abholten, Transporte in der Dunkelheit über unbewachte Grenzposten nach Südafrika und von da weiter in andere Teile der Welt. Auch wenn an Polizisten, Zollbeamte, Staatsanwälte, Richter, Staatsbeamte und nicht zuletzt an die verantwortlichen Minister hohe Bestechungsgelder gezahlt werden müssen, ist der Verdienst ungeheuer groß. Mit Drogenhandel wird heute ebensoviel Umsatz erzielt wie mit der gesamten Tourismusindustrie. Mehr als mit Waffenproduktion. Henrik hat sehr dunkel über einen Zusammenhang zwischen der Aids-Epidemie und dieser Sache gesprochen. Woher
    er seine Informationen bekommen hat, weiß ich nicht. Jetzt muß ich gehen.«
    Sie trennten sich vor dem Hotel.
    »Ich werde bei einem Mitarbeiter der schwedischen Botschaft wohnen, Lars Häkansson.«
    Nuno da Silva schnitt eine Grimasse. »Eine interessante Person.« »Kennen Sie ihn?«
    »Ich bin Journalist, und ich muß wissen, was sich zu wissen lohnt. Über die Wirklichkeit wie über die Menschen.«
    Er gab ihr hastig die Hand, wandte sich um und verschwand die Straße hinab. Sie sah, daß er es eilig hatte.
    Die große Hitze machte ihr zu schaffen. Sie kehrte in ihr Zimmer zurück. Nuno da Silvas Gesichtsausdruck war nicht mißzuverstehen gewesen. Vor Lars Häkansson hatte er nicht den geringsten Respekt.
    Sie blickte zur Decke und versuchte zu entscheiden, welchen Bogen sie spannen sollte. Vielleicht sollte sie Lars Häkansson aus dem Weg gehen. Aber Henrik hatte bei ihm gewohnt. Ich muß die Stellen finden, an denen Henrik irgendwelche Abdrücke hinterlassen haben kann, dachte sie.
    Es war Viertel nach neun. Sie rief Artur an. Seiner Stimme war anzumerken, daß er ihren Anruf früher erwartet hatte. Sofort hatte sie einen Kloß im Hals. Vielleicht war er wieder die ganze Nacht wach gewesen.
    Es gibt jetzt nur noch ihn und mich. Die anderen sind nicht mehr da.
    Sie dachte, es würde ihn beruhigen, wenn sie sagte, daß alles in Ordnung sei und daß sie bei einem Mitarbeiter der schwedischen Botschaft wohnen könnte. Er erzählte, daß es schneite, dichter jetzt, mehr als zehn Zentimeter im Laufe der Nacht. Außerdem hatte er auf der Straße einen toten Hund gefunden, als er die Zeitung hereinholte.
    »Was ist mit ihm passiert?«
    »Ich konnte nicht erkennen, daß jemand ihn angefahren hat. Es sah aus, als hätte ihm jemand in den Kopf geschossen und ihn auf die Straße geworfen.«
    »Kanntest du den Hund?«
    »Nein. Er war nicht von hier. Aber wie kann man einen Hund so hassen?«
    Nach dem Telefongespräch blieb sie auf dem Bett liegen. Wie kann man einen Hund so hassen ? Sie dachte an das, was Nuno da Silva gesagt hatte. Konnte er wirklich recht haben damit, daß die fürchterliche Aids-Epidemie aufgrund einer Konspiration ausgebrochen war, die das Ziel verfolgte, die Menschen auf dem afrikanischen Kontinent auszurotten? Sollte Henrik ein Teil jener Randerscheinung gewesen sein, die nicht ins Gewicht fiel? Es kam ihr wie der reine Wahnsinn vor. Und auch Henrik mußte es so vorgekommen sein. Er wäre nie Anhänger einer Verschwörungstheorie

Weitere Kostenlose Bücher