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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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geworden, die einer genauen Prüfung nicht standhielt.
    Sie setzte sich im Bett auf und zog das Laken um sich. Die Klimaanlage ließ sie frösteln, ihre Arme hatten eine Gänsehaut. Was war das für eine Spur, die Henrik, wie Nuno da Silva bemerkt haben wollte, verfolgte? Eine innere Spur. Welchen Bogen hatte Henrik gespannt? Wohin hatte er den Pfeil gerichtet? Sie wußte es nicht, aber sie spürte, daß sie sich etwas näherte.
    Sie fluchte laut, geradewegs in die Luft. Dann stand sie auf, blieb lange unter der kalten Dusche, packte ihre Taschen und hatte das Zimmer bereits bezahlt, als Häkansson erschien.
    »Ich dachte gerade darüber nach, daß mein Vater mich bestimmt Lars genannt hatte, wenn ich ein Junge gewesen wäre.«
    »Ein ausgezeichneter Name. Leicht in allen Sprachen auszusprechen, außer vielleicht für die Chinesen, die Mandarin sprechen. Lars Herman Olof Häkansson. Lars nach meinem Großvater väterlicherseits, Herman nach meinem Großvater mütterlicherseits, der Marineoffizier war, und Olof nach Olof Skötkonung, dem König aus der Wikingerzeit. Mit diesen drei Schutzheiligen segle ich durchs Leben.«
    Aber Lucinda wolltest du Julieta nennen. Warum hat es dich erregt, ihren Namen zu wechseln?
    Sie bat ihn, seine Adresse aufzuschreiben, und gab den Zettel an der Rezeption ab mit der Bitte, sie einer Frau namens Luanda zu geben, falls sie komme und nach ihr frage.
    Lars Häkansson stand neben ihr, verloren in Gedanken. Sie sprach leise, damit er es nicht verstand.
    Die Wohnung lag in einer Straße, die Kaunda hieß. Diplomatenviertel, viele Nationalflaggen. Mauerbewehrte Villen, uniformierte Wachen, bellende Hunde. Sie traten durch ein eisernes Tor, ein Mann, der im Garten arbeitete, nahm ihr die Taschen ab, obwohl sie sie lieber selbst tragen wollte.
    »Das Haus ist von einem portugiesischen Arzt gebaut worden«, erklärte Lars Häkansson. »1974, als die Portugiesen endlich einsahen, daß die Schwarzen sich sehr bald befreien würden, verließ er das Land. Er soll ein Segelboot im Hafen zurückgelassen haben und ein Klavier, das auf dem Kai verrottete, weil es nicht auf das Fluchtschiff nach Lissabon verladen wurde. Der Staat übernahm die leeren Häuser. Jetzt hat der schwedische Staat das Haus gemietet, die Steuerzahler kommen für meine Miete auf.«
    Das Haus war von einem Garten umgeben, auf der Rückseite standen einige hohe Bäume. Ein angeketteter Schäferhund beobachtete sie wachsam. Im Haus traf sie zwei Dienerinnen, eine alt, eine jung.
    »Graça«, sagte er, als Louise die ältere Frau begrüßte. »Sie putzt, ist zwar viel zu alt, will aber bleiben. Ich bin wohl die neunzehnte schwedische Familie, für die sie arbeitet.«
    Graça griff resolut nach ihren Taschen und trug sie die Treppe hinauf. Louise blickte entsetzt auf ihren mageren Körper.
    »Celina«, sagte Lars Häkansson. Louise begrüßte die junge Frau. »Sie ist aufgeweckt und kocht schmackhaftes Essen. Wenn Sie etwas brauchen, sprechen Sie mit ihr. Tagsüber ist immer jemand hier. Ich komme heute abend spät nach Hause. Sagen Sie Bescheid, wenn Sie hungrig sind, dann bekommen Sie etwas zu essen. Celina zeigt Ihnen Ihr Zimmer.«
    Er war schon an der Tür, als sie ihn einholte. »Ist es das Zimmer, in dem Henrik gewohnt hat?« »Ich dachte, Sie wollten es so. Wenn es Ihnen nicht recht ist, können Sie tauschen. Das Haus ist groß. Doktor Sa Pinto hatte, den Erzählungen zufolge, eine sehr große Familie. Jedes Kind sollte ein eigenes Schlafzimmer haben.« »Ich wollte es nur wissen.« »Jetzt wissen Sie es.«
    Louise ging ins Haus zurück. Celina wartete an der Treppe. Graça war wieder heruntergekommen und machte sich in der Küche zu schaffen. Louise folgte Celina in dem vollkommen weißen Haus die Treppe hinauf.
    Sie kamen in einen Raum, in dem die Feuchtigkeit gelbe Flecken auf dem Putz gebildet hatte, sie spürte einen schwachen Geruch von Schimmel. Hier hatte Henrik geschlafen. Das Zimmer war nicht groß, den meisten Platz nahm das Bett ein. Vor den Fenstern waren Gitter wie in einem Gefängnis.
    Ihre Taschen lagen auf dem Bett. Sie öffnete die Tür des Kleiderschranks. Er war leer, bis auf einen Golfschläger.
    Sie stand reglos neben dem Bett und versuchte, sich Henrik in diesem Zimmer vorzustellen. Aber er war nicht da. Sie fand ihn nicht.
    Sie packte ihre Taschen aus, suchte nach einem Badezimmer, nachdem sie einen Blick in das große Schlafzimmer von Lars Häkansson geworfen hatte. Ob Lucinda, oder Julieta, wie er

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