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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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enthielt fünf Scherenschnitte. Zwei von ihnen waren geometrische Muster. Die drei anderen waren Silhouetten von Menschen.
    Sie sah sofort, daß eine davon Henriks war. Es war sein Profil, kein Zweifel. Sie fühlte ein Unbehagen in sich aufsteigen, der Scherenschnitt war gut gemacht. Aber Henrik war nur ein Schatten, das schwarze Papier war gewissermaßen eine Ankündigung dessen, was geschehen war.
    Sie betrachtete die beiden anderen Silhouetten. Ein Mann und eine Frau. Das Profil der Frau ließ erkennen, daß sie Afrikanerin war. Auf den Rückseiten stand nichts. Die Silhouetten waren auf weißen Karton geklebt. Es fand sich keine Signatur, nichts, was den Urheber verriet. Konnte es Henrik selbst gewesen sein?
    Sie ging den Inhalt der Tasche ein weiteres Mal durch. Am Ende saß sie wieder mit den Silhouetten in der Hand da. Was bedeuteten sie?
    Sie ging zur Rezeption hinunter, dann in den Garten. Der Wind vom Meer war mild, gesättigt mit den Düften geheimnisvoller Gewürze.
    Sie setzte sich auf eine Bank und schaute über das dunkle Meer. Eine Leuchtboje blinkte, weit draußen am Horizont zog ein Schiff nach Süden.
    Sie erschrak, als plötzlich Lucinda vor ihr auftauchte.
    Warum bewegen sich hier alle Menschen lautlos? Warum höre ich sie nicht kommen?
    Lucinda setzte sich neben sie. »Was haben Sie in der Tasche gefunden?«
    Louise fuhr auf. »Wie können Sie davon wissen?«
    »Ich habe Häkansson getroffen. Diese Stadt ist groß und zugleich sehr klein. Ich habe ihn zufällig getroffen, und er hat es mir erzählt.«
    »Er sagte, Sie hießen Julieta, er kenne niemanden mit Namen Lucinda.«
    Lucindas Gesicht blieb im Schatten. »Männer geben Frauen manchmal die Namen, die sie wollen.«
    »Warum sollten die Frauen sich darauf einlassen?«
    Im gleichen Augenblick, aber dennoch zu spät, sah Louise ein, was Lucinda meinte.
    »Er fand, ich sähe aus wie eine Frau, die Julieta heißen müßte. Drei Monate trafen wir uns an zwei Abenden in der Woche, immer zu bestimmten Zeiten, fast immer in den diskreten Wohnungen, die für solche Treffen vermietet werden. Dann fand er eine andere, oder seine Frau kam her. Ich weiß es nicht mehr.«
    »Soll ich Ihnen das glauben?«
    Die Antwort kam wie ein Peitschenhieb.
    »Daß ich seine Hure war? Daß ich seine schwarze kleine Muschi war, mit der er gegen Bares spielen konnte, immer in Dollar oder südafrikanischen Rand?«
    Lucinda stand auf. »Ich kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie nicht verstehen wollen, was in einem armen Land geschieht.«
    »Ich habe nichts Böses gemeint.«
    »Sie werden nie verstehen, Sie brauchen niemals darüber nachzudenken, ob Sie die Beine breit machen, um etwas Eßbares in Ihren eigenen Bauch oder den Bauch Ihrer Kinder und Eltern zu kriegen.«
    »Vielleicht können Sie es mir erklären?«
    »Deshalb bin ich gekommen. Ich möchte, daß Sie mich morgen nachmittag begleiten. Ich will Ihnen etwas zeigen. Etwas, was auch Henrik gesehen hat. Es wird nichts passieren, Sie brauchen keine Angst zu haben.«
    »Ich habe vor allem hier Angst, vor der Dunkelheit, daß ich von Menschen beraubt werde, die ich weder sehe noch höre. Ich habe Angst, weil ich nicht verstehe.«
    »Henrik hatte auch Angst. Aber er versuchte, sich von der Angst zu befreien. Er versuchte zu verstehen.«
    Lucinda ging. Der Wind war noch immer mild. Louise sah sie vor sich, wie sie durch dunkle Straßen zu der Bar ging, in der sie arbeitete.
    Sie blickte sich in dem großen Hotelgarten um. Überall ahnte sie Schatten im Dunkeln.
    S ie stand am Fenster und sah, wie die Sonne zum Sprung aus dem Meer ansetzte. Als sie ein Kind war, hatte ihr Vater einmal davon gesprochen, daß die Welt eine ungeheure Bibliothek von gesammelten Sonnenaufgängen und Abenddämmerungen sei. Sie hatte nie ganz verstanden, was er gemeint hatte, wie die Bewegungen der Sonne mit der Schrift zwischen Buchdeckeln verglichen werden konnten. Auch jetzt, während sie hier stand und sah, wie das Licht sich auf dem Wasser ausbreitete, konnte sie seinen Gedanken nicht nachvollziehen.
    Sie überlegte, ob sie ihn anrufen und fragen sollte. Doch sie ließ es auf sich beruhen.
    Statt dessen setzte sie sich auf den kleinen Balkon und wählte die Nummer des Hotels in Barcelona. Xavier war am Apparat. Herr Cantor hatte nichts von sich hören lassen, auch die Polizei nicht. Senor Castells hätte ihm bestimmt gesagt, wenn es Neuigkeiten von Herrn Cantor gäbe.
    »Wir haben aber auch keine schlechten Nachrichten bekommen«, rief er, als

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